21.11.2011

Neues Patent für Fachbereich IuM

Unsere Welt besteht aus Kapseln. Ob Schutzmittel für Pflanzen, künstlicher Kaviar, Duftextrakte im Parfüm, Heilsubstanzen im Medikament oder Zellen, welche den Süßstoff im „Kaugummi ohne Zucker“ ...

Unsere Welt besteht aus Kapseln. Ob Schutzmittel für Pflanzen, künstlicher Kaviar, Duftextrakte im Parfüm, Heilsubstanzen im Medikament oder Zellen, welche den Süßstoff im „Kaugummi ohne Zucker“ herstellen – alle werden mit Hilfe chemischer Reaktionen in Kügelchen eingeschlossen. Diese ähneln in der Größe einem Stecknadelkopf, können aber auch bedeutend kleiner sein. Das Problem der Kapseln war bisher ihre geringe Stabilität. So ließen sie sich beispielsweise leicht zerquetschen und gingen bei Temperaturschwankungen schnell kaputt.

Die Lösung für das Problem kennt Professor Dr. Anant Patel, der an der Fachhochschule (FH) Bielefeld die Professur für Verfahrenstechnik und Alternative Kraftstoffe am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik inne hat. Mit Hilfe einer chemischen Lösung legt er ein Silizium-Gel um die Kapseln. Silizium-Gele sind sehr stabil, konnten aber bisher keine biologischen Stoffe einschließen. Das ändert Professor Patel mit seiner Erfindung. Die chemische Reaktion lässt sich mit allen möglichen Stoffen durchführen, auch mit DNA, Pflanzen- und Tierzellen, Enzymen oder Bakterien. „SiBiCos“ nennt sich das Forschungsprojekt. Die Abkürzung steht für neue Silizium-Biopolymer-Hybridmaterialien – der Fachbegriff für die Kapseln mit Silizium-Gel-Hülle. Für das neue Verfahren, das in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Bergakademie Freiberg entwickelt wurde, erhielt Professor Patel jetzt ein Patent.

Patent für FH BielefeldDie Kapseln mit Silizium-Gel-Hülle erhöhen die Wirksamkeit der Inhaltsstoffe. Die Verkapselung hat den Vorteil, dass sich die Stoffe leichter dosieren und gezielt einsetzen lassen. Die Kapsel schützt den Inhaltsstoff außerdem vor Umwelteinflüssen. So kann beispielsweise ein Medikament, das erst im Darm wirken soll, der Magensäure trotzen. Anders herum wird zum Beispiel beim Waschmittel der Anwender vor den Inhaltsstoffen geschützt. Da die Reinigungssubstanzen in Kapseln eingeschlossen werden, sind allergische Reaktionen selten. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Freisetzung der Stoffe kontrolliert werden kann. Ein Parfüm würde beispielsweise sofort verdunsten. Da die Duftextrakte aber in winzige Kapseln eingeschlossen sind, können diese über einen längeren Zeitraum wirken.

Durch die Silizium-Gel-Hülle werden die Kapseln stabiler gegen Druck, Hitze und viele andere Umwelteinflüsse. Die Wirksamkeit der Inhaltsstoffe wird dadurch verbessert. Deutlich wird der Vorteil bei Pflanzenschutzmitteln. Diese gelangen als Kapseln in den Boden. Temperaturschwankungen, Niederschläge und biologischen Abbau halten die Kügelchen aber nicht lange aus. Löst sich die Kapsel auf, versickert das Pflanzenschutzmittel im Boden. Dank der Silizium-Gel-Hülle kann die Pflanze länger mit schützenden Substanzen versorgt werden, da die Kapseln stabiler sind. Über die Hülle kann ebenfalls die Porosität und damit die Freisetzung sowie weitere Kapseleigenschaften kontrolliert werden.

Ein Einsatz der Erfindung ist nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in der Medizin und der Industrie denkbar. Da das Silizium-Gel sowie das daraus entstehende glasartige Material transparent und damit lichtdurchlässig ist, sind optische Anwendungen zum Beispiel für Solarzellen der dritten Generation möglich. Verwendung könnte die neue Methode auch in der Elektrotechnik finden. Erste Unternehmen haben bereits ihr Interesse an der Erfindung bekundet. Konkrete Kooperationen gibt es derzeit aber noch nicht.

Professor Patel und sein neunköpfiges Forscher-Team arbeiten derzeit an der Weiterentwicklung von „SiBiCos“. Beim Blick in die Zukunft kann sich Visionär Patel vorstellen, dass seine Erfindung ein wichtiger Ansatz für die Entwicklung von künstlichen Organen sein könnte.