09.02.2016

Jede Empfindung hat ihren eigenen Sound

Erste Fachtagung zu Musik im pädagogischen Alltag an der Fachhochschule Bielefeld.

Bielefeld (fhb). Ungewohnte Klänge dringen durch die Tür des Konferenzbereichs der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Es wird geschnipst, gerufen, geträllert, gestampft und geklatscht. Rund 50 Fachkräfte aus Kindertagesstätten (Kitas) und Grundschulen tauschen sich gemeinsam mit Studierenden über die "Musik im pädagogischen Alltag" aus. Ausgerichtet wurde die Fachtagung vom Studienschwerpunkt "Musikalische Bildung in der Pädagogik der Kindheit" des Fachbereichs Sozialwesen in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung. Der Studienschwerpunkt war ein dreijähriges Modellprojekt der FH Bielefeld in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung und der Peter Gläsel Stiftung. Seit dem Wintersemester 2014 läuft der Studienschwerpunkt eigenständig an der FH Bielefeld. Die Studierenden lernen hier, auf vielfältige Weise Kinder dazu anzuregen, musikalische Interessen und Neigungen zu vertiefen. Sie werden zudem didaktisch befähigt, wie sie Kindern musikalische Fähigkeiten, Fertig­keiten und Kenntnisse beibringen können. Ziel ist es, Mädchen und Jungen in Kindertageseinrichtungen durch Musik zu stärken und so das große Potenzial der Musik für die Elementarpädagogik zu nutzen und auszubauen.

Die Leiterin des Schwerpunkts "Musikalische Bildung", Prof. Dr. Anne Weber-Krüger, begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und lud alle ein, sich in den Pausen an den aufgebauten Musikstationen mit Tamburin, Trommeln, Rasseln und dem sogenannten Klangregal zu beschäftigen. Anschließend wurde die Tagung auf ihre ganz eigene Weise eröffnet: Jeder suchte sich "seinen eigenen Klang", forderte Weber-Krüger auf, und so schnipsten, trällerten oder klatschten die 50 Personen zunächst etwas zögerlich, dann aber immer mutiger und fröhlicher, bis Weber-Krüger das Zeichen zum Beenden gab.

"Ich soll nicht so viel reden, sondern wir wollen MIKA erleben", sagte der erste Referent Johannes Beck-Neckermann. Er arbeitet als freischaffender Musik- und Bewegungspädagoge sowie als Musiktherapeut und hat das Projekt "Musik im Kita-Alltag" (MIKA) der Bertelsmann-Stiftung mitentwickelt. So sollten die Tagungsteilnehmer einen Bienenstock, eine Räuberhöhle und eine Blumenwiese vertonen. Mit diesen Sounds könne dann weitergearbeitet werden. Grundsätzlich werde bei MIKA davon ausgegangen, dass Musik immer präsent sei und nicht erst erzeugt werden müsse. "Ich gehe in die Kita, höre zu und schaue, was dort akustisch geschieht", sagte Beck-Neckermann. Schließlich hätten alle Empfindungen ihren eigenen Sound, den Erwachsene aber zu kontrollieren gelernt hätten. Die Kinder sollten bei MIKA das Gefühl haben, dass sie ihre eigene Musik erzeugen. Auch wenn dies für die Erwachsenen manchmal schwer auszuhalten sei: "Bei einem Projekt in den letzten zwei Wochen gab es nicht eine Sekunde, die für mich ästhetisch schön war", berichtete der Musikpädagoge. Denn Erwachsene hätten eine Liebe zu Harmonien, Kinder seien diesbezüglich noch viel offener.

Als weiterer Referent berichtete Stefan Wolf, Leiter der Peter Gläsel Stiftung über die partizipativen Konzepte der Kita "Pöppenteich" und der Peter-Gläsel-Schule in Detmold. Hier gehört die echte Beteiligung aller Kinder an allen sie betreffenden Entscheidungen zum Konzept. Prof. Dr. Marion Gerards von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Aachen hielt einen Vortrag zu Fragen an eine kultursensible musikalische Bildung in Kita und Grundschule und zeigte, dass Lieder und didaktische Materialien aufmerksam verwendet werden sollten, da sie sie ungewollt ausgrenzen oder kulturelle Klischees transportieren könnten.

"Es gab eine spannende Mischung aus Praxisbeispielen, theoretischem Input und kontroversen Diskussionen", fasste Prof. Dr. Anne Weber-Krüger die Fachtagung zusammen. Anke von Hollen von der Bertelsmann Stiftung freute sich, dass mit Teilnehmern aus dem offenen Ganztag, Kitas, Verbänden, aber auch mit den Studierenden verschiedene Netzwerke zusammengebracht wurden. Denn die Perspektiven der einzelnen Teilnehmer seien sehr unterschiedlich. "Der Tag diente dazu, Kontakte herzustellen und gemeinsam an den ausgetauschten Erfahrungen für die eigene Praxis zu lernen", so von Hollen.