20.04.2006

Hannover Messe 24. – 28. April 2006 FH Bielefeld mit vier Exponaten vertreten

"Vernetzt denken, handeln und rechnen!" – Diese Worte beschreiben prägnant, mit welchen Exponaten die Fachhochschule (FH) Bielefeld, vertreten durch ein zehnköpfiges Professorenteam, die Besucher der diesjährigen Hannover Messe auf dem Innovationsstand Nordrhein-Westfalen in die Halle 2 – Research & Technology – C 36 erwartet.

Seit Januar 2005 fördert das Land Nordrhein-Westfalen mit insgesamt 500.000 Euro die Aktivitäten einer Gruppe Professoren im Rahmen einer sogenannten Kompetenzplattform, kurz KOPF, die bei den Bielefeldern den Namen "Vernetzte Simulationen zur Optimierung der Wertschöpfungskette in Unternehmen" trägt. Ziel dieses interdisziplinären Verbundes, dessen Mitglieder aus vier verschiedenen Fachbereichen stammen, ist die Entwicklung von Instrumenten und Verfahren zur Nutzbarmachung und Optimierung bislang ungenutzter Potentiale, die sich durch eine "intelligente Vernetzung" von Simulationen für den gesamten Produktlebenszyklus ergeben - von der Idee bis zum Recycling. Die Exponate auf dem NRW-Stand: Reverse Engineering (Professor Dr. Roland Friedrich), Public Resource Computing (Professor Dr. Christian Schröder), Modellbasierte Bewertung von Sichtbedingungen bei Nachtfahrten (Professor Dr. Ulrich Kramer)

Neuartiges wird auch auf dem Messestand der Festo AG aus Esslingen (Halle 15, Stand D07) präsentiert. Entwickelt wurde von Studierenden des Studiengangs Produktentwicklung unter Leitung von Professor Dr. Reihnard Kaschuba im Labor Physikalische Effekte und Produktentwicklung ein Luftkissenfahrzeug (Hovercraft), das einige entscheidende Neuheiten auf den Gebieten der Steuerung und Lenkung dieser Fahrzeuge aufweißt. Im Rahmen einer Diplomarbeit ist in Kooperation mit der Festo AG der an der FH Bielefeld entwickelte Prototyp zur Serienreife weiterentwickelt worden. Das Fahrzeug wird als Sonderexponat präsentiert.

Das Gleichstellungsbüro der FH Bielefeld bietet auf dem Fachkongress WomenPower 2006 im Conventeion Center, Saal 1A, am Freitag, 28. April von 09:30 - 17:00 Uhr, Informationen zum Patenschaftsprojekt für Ingenieur-Studentinnen an. Außerdem können junge Frauen Tipps zur Planung des persönlichen Karrierewegs für Nachwuchswissenschaftlerinnen erhalten.
Kompetenzplattform "Vernetzte Simulationen"
Mit dieser zunächst abstrakt klingenden Idee treffen die Forscher bei den Unternehmen direkt ins Schwarze! Die Bielefelder Professoren wollen zur Entwicklung ihrer Produkte Simulationswerkzeuge einsetzen, um mit Hilfe "digitaler Fabriken" lange bevor ein Produkt hergestellt wird, dieses zu analysieren, zu simulieren und zu testen und dadurch Entwicklungskosten zu sparen. Einziger Haken an der Sache: Die digitale Fabrik existiert noch nicht! Der Grund hierfür lässt sich am Vergleich mit einer "realen Fabrik" verdeutlichen. Um ein Produkt zu entwickeln, müssen Produktionsanlagen zusammenarbeiten, d.h. das Produkt verlässt mit einem bestimmten Fertigungsgrad eine Anlage, um in einer anderen weiterverarbeitet zu werden und zwar so lange, bis am Ende das fertige Produkt die Fabrik verlässt. Genau dieses Prinzip funktioniert in der "digitalen Fabrik", in der Simulationswerkzeuge zusammenarbeiten, heutzutage noch nicht! Die Ursache für dieses Problem liegt in der Tatsache, dass es sich beim digitalen Produkt in Wirklichkeit nur um abstrakte Informationen handelt! Wie ein reales Produkt besteht auch ein digitales Produkt aus einer Vielzahl von Einzelteilen mit unterschiedlichen Eigenschaften, allesamt liegen diese jedoch nur in Form von Daten im Speicher eines Computers vor. Wie bei seinem realen Pendant müssen im digitalen Produktionsprozess diese Daten zwischen den Simulationswerkzeugen ausgetauscht werden. Die heutzutage eingesetzten Simulationswerkzeuge funktionieren häufig jedoch nur als "Insellösungen". Das digitale Produkt wird allerhöchstens in Teilen gefertigt bzw. simuliert, von der notwendigen Vernetzung dieser Simulationen, und damit einem vollständigen digitalen Produktionsprozess, kann nicht die Rede sein.
Ansprechpartner:
Professor Dr.-Ing. Ulrich Kramer, Sprecher der Kompetenzplattform "Vernetzte Simulationen", fon 0521.106-7445,
e-mail ulrich.kramer@fh-bielefeld.de , web www.fh-bielefeld.de/simulationen

- Reverse Engineering
Diesem Problem entgegnen die Wissenschaftler der FH Bielefeld indem sie technische Lösungen und Verfahren zur Vernetzung von Simulationen entwickeln, die sie gemeinsam mit Unternehmen umsetzen. Um den digitalen Produktionsprozess in Gang setzen zu können, benötigt man zunächst einmal ein virtuelles Computermodell eines realen Objekts. Mit Hilfe computerbasierter Entwurfswerkzeuge, so genannter CAD-(Computer Aided Design) Programme werden heutzutage dreidimensionale Modelle entworfen. Was aber, wenn bereits ein physikalisches Modell oder ein Muster aus einer vorangegangenen Serie existiert? Wie überträgt man ein reales Objekt "zurück" in den Computer? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Professor Dr. Roland Friedrich. "Diesen Vorgang bezeichnet man als Reverse Engineering", erläutert Dr. Friedrich, "je komplexer die Geometrien werden, und je höher die Anforderungen an die Messgenauigkeiten sind, desto eher muss auf automatisch oder zumindest teilautomatisch arbeitende Meßsysteme zurückgegriffen werden". Friedrich und sein Team entwickeln hierzu optische und lasergestützte Verfahren, die das reale Objekt abtasten und die so gewonnenen dreidimensionalen Informationen zur Weiterverarbeitung in den Computer übertragen.
Ansprechpartner: Professor Dr.-Ing. Roland Friedrich
fon 0521.106-7527, e-mail roland.friedrich@fh-bielefeld.de

- Public Resource Computing
"Die Realität im Computer zu simulieren, bedeutet hochkomplexe mathematische Probleme in endlicher Zeit zu lösen", erläutert Professor Dr. Christian Schröder, der sich im Rahmen der Kompetenzplattform mit dem Fachgebiet "High Performance Computing", d.h. dem wissenschaftlichen Hochleistungsrechnen, beschäftigt. Wie der Name schon verrät, verlangt diese Disziplin nach größter Rechenleistung, die man üblicherweise nur in einigen wenigen exklusiven Supercomputerzentren dieser Welt vorfindet. In diesen viele Millionen Euro teuren Rechenanlagen werden tausende von Prozessoren zusammengeschaltet, um Höchstleistung für z.B. Klimasimulationen zu liefern. "Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass die größte Rechenleistung nicht an einem Ort konzentriert, sondern auf viele hundert Millionen Computer und Spielekonsolen rund um die Welt verteilt ist!", erläutert Dr. Schröder. "Public-Resource Computing" oder auch "Global Computing" nennt sich ein neuer Vorstoß, der diese gewaltige "öffentliche" Rechenleistung für umfangreiche wissenschaftliche Rechnungen nutzbar machen will. Im Projekt "Spinhenge@home" entwickeln Dr. Schröder und sein Team Algorithmen, die es ermöglichen, umfangreiche numerische Simulationen zu den physikalischen Eigenschaften so genannter magnetischer Moleküle weltweit zu verteilen. Insbesondere für die Elektronik der Zukunft erhofft man sich hierbei bahnbrechende Innovationen. Mit Hilfe magnetischer Moleküle sollen in Zukunft neuartige nanomagnetische Anwendungen wie hochintegrierte Speicherbausteine oder winzige magnetische Schalter entwickelt werden. Darüber hinaus werden auch Anwendungen in der Medizin und der Biotechnologie anvisiert.
Ansprechpartner: Professor Dr. Christian Schröder
fon 0521.106-7391, e-mail christian.schroeder1@fh-bielefeld.de

- Modellbasierte Bewertung von Sichtbedingungen bei Nachtfahrten
Weitaus "handfester" geht es dagegen bei Professor Dr. Ulrich Kramer zu. "Die Gefahr von Verkehrsunfällen bei Dunkelheit wird - bezogen auf die Fahrleistung - auf das 1,5- bis 3-fache im Vergleich zu Unfällen bei Tagfahrten geschätzt. Es ist davon auszugehen, dass nahezu jeder vierte außerorts sich ereignende schwere Unfall mit ungünstigen Sichtverhältnissen in Zusammenhang steht. Deshalb ist es wichtig, der Optimierung der Sichtverhältnisse bei Dunkelheit, Regen oder Nebel besonderes Augenmerk zu schenken", berichtet Dr. Kramer. Im Projekt "Informationsbedarf des Autofahrers bei der Spurhaltung" arbeiten der Forscher und sein Team innerhalb der Kompetenzplattform in enger Kooperation mit der Industrie an einer modellbasierten Bewertung der Sichtbedingungen bei Nachtfahrten. Im Rahmen dieses Projekts soll das Zusammenwirken von Fahrer, Fahrzeug und Fahrumgebung anhand einer Reihe von Messgrößen unter verschiedenen Beleuchtungs- bzw. Sichtbedingungen analysiert werden mit dem Ziel, Erkenntnisse für die Entwicklung neuartiger, so genannter aktiver, Beleuchtungssteuerungen zu erlangen.
Ansprechpartner: Dr. Ulrich Kramer
fon 0521.106-7209, e-mail ulrich.kramer@fh-bielefeld.de

Das besondere an den auf dem Innovationstand NRW vorgestellten Projekten der FH Bielefeld: Jeder Messebesucher kann sich direkt an den Experimenten der Forscher beteiligen! Wie man reale 3D-Objekte in virtuelle Computermodelle überträgt oder wie der häusliche PC an der Erforschung neuartiger Speichermaterialien in einer weltweit vernetzten Simulation teilnehmen kann, wird am Messestand demonstriert. Im aufgebauten Fahrsimulator kann der Besucher Versuchsfahrten bei unterschiedlichen Sichtverhältnissen absolvieren, um damit klären zu helfen, welcher Bereich des Straßenverlaufs für die Fahraufgabe Spurhaltung besonders wichtig ist. Hierzu wurde der Verlauf einer realen Versuchsstrecke (Spitze Warte bei Rüthen/Soest) im Computer nachgebildet.

Luftkissenfahrzeug mit neuartiger Schubsteuerung
Im Rahmen eines Projektes wurde im Labor für Physikalische Effekte und Produktideen des Fachbereichs Mathematik und Technik der FH Bielefeld von Professor Dr. Reinhard Kaschuba ein Luftkissenfahrzeug als Versuchsträger für neue Technologien entwickelt. Das Projekt hatte eine Laufzeit von 18 Monaten und wurde von den heutigen Diplom-Ingenieuren Albert Mielke und Daniel Wagner im Zuge der Ingenieursausbildung zum Produktentwickler der Vertiefungsrichtung Maschinen, Fahrzeuge, Geräte ausgeführt.

Ziel des Projekts war es, neben der Erstellung des Luftkissenfahrzeugs als Versuchsträger insbesondere ein neuartiges Schubsteuersystem für kleinere Hovercrafts zu entwickeln, welches die Manövrierfähigkeit entscheidend verbessert. Bislang verfügen fast nur größere Luftkissenfahrzeuge über komplexe Steuersysteme, welche neben Kurvenfahrten auch Bremsmanöver sowie Rückwärtsfahrten ermöglichen. Im Rahmen des Projektes entwickelten Albert Mielke und Daniel Wagner unter Anleitung von Dr. Reinhard Kaschuba einen Prototypen mit dessen Hilfe das neuentwickelte Schubsteuersystem auf seine Tauglichkeit hin getestet werden konnte.

Hierbei wurden unterschiedliche Schürzentypen sowie Modifikationen des Schubsteuersystems getestet. Dabei zeigte das neuentwickelte Hovercraft eine beeindruckende Wendigkeit. Neben Drehungen auf der Stelle sind auch Bremsmanöver und Rückwärtsfahrten möglich. Durch die Entwicklung eines mechanischen Mischers, welcher Brems- und Lenkbefehle kombiniert an das Schubsteuersystem weiterleitete, lässt sich das Fahrzeug intuitiv bedienen und in kurzer Zeit sicher beherrschen. Bei der Konstruktion des Fahrzeugs wurde zudem großer Wert auf dessen Schwimmfähigkeit gelegt. Hierdurch ist ein sicherer Einsatz über Wasser gewährleistet, auch Wasserstarts sind problemlos möglich.

In Kooperation mit der Festo AG, Esslingen wurde der Prototyp zur Serienreife weiterentwickelt. In das Serienmodell flossen die bei der Prototypenanalyse gemachten Erfahrungen mit ein. So wurde das Schubsteuersystem überarbeitet und dessen Effektivität noch einmal erhöht. Neben einer verbesserten Ergonomie wurde zudem großer Wert auf ein ansprechendes Produktdesign gelegt. Durch den kombinierten Einsatz von Konstruktions- und Modelling-Werkzeugen konnte die Geometrie in kurzer Zeit entwickelt werden. Zurzeit wird untersucht, ob eine Fertigung des Serienmodells durch eine hierfür zu gründende Gesellschaft zu realisieren ist.

Ansprechpartner: Professor Dr. Reinhard Kaschuba
fon 0521.106-7513, e-mail reinhard.kaschuba@fh-bielefeld.de