16.06.2015

Vielfalt muss gelebt werden

Workshop an der FH Bielefeld zu Diversity-Management und Migrantinnen als Beschäftigte.

Bielefeld (fhb). "Für Unternehmen ist es nicht mehr einfach, geeignete Fachkräfte zu finden. Da erstaunt es doch, dass nur wenige Entscheider Migrantinnen als Zielgruppe ansehen", sagte  Dr. Swetlana Franken, Professorin für  Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule (FH) Bielefeld bei der Eröffnung des Workshops "Business Case der kulturellen Diversität in Wirtschaft und Wissenschaft: Vielfalt macht erfolgreich!" am 15. Juni. Dabei würden die Potenziale von mehr als 800.000 Akademikerinnen mit Migrationshintergrund nicht ausreichend ausgeschöpft. Deshalb hatte Franken Vertreter aus Wirtschaft, Institutionen  und Wissenschaft an die FH Bielefeld geladen, um sich über das Thema auszutauschen. Der Workshop ist Teil des Forschungsprojekts "IMAGE - Inklusion von Migrantinnen für mehr Anerkennung, Gleichberechtigung und Effizienz" der FH Bielefeld. Das Projekt startete am 1. März 2015 und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 220.000 Euro für 13 Monate gefördert.

Zunächst gab Prof. Dr. Swetlana Franken einen Einblick in die derzeitige Forschung über Migrantinnen in Deutschland. Sie zeigte die Potenziale von Zuwanderinnen auf dem Arbeitsmarkt sowie ihre spezifischen Kompetenzen auf. Darüber hinaus präsentierte Franken erste Ergebnisse aus Experteninterviews, die sie mit Vertretern aus Unternehmen, Selbstständigkeit und Wissenschaft zum Thema Mehrwert und Nutzen der kulturellen Vielfalt gemacht hatte. Dabei habe sie festgestellt, dass die kulturspezifischen Kompetenzen von qualifizierten Migrantinnen Unternehmen bei der Erschließung internationaler Märkte und neuer Kundengruppen zugutekommen. Außerdem würden sich  die Arbeitszufriedenheit und das Image des Unternehmens, wenn sich Menschen aus verschiedenen Kulturen wertgeschätzt fühlen, verbessern. So avanciere kulturelle Vielfalt zu einem Erfolgs- und Wettbewerbsfaktor.

Ramona Lange von Frauenbetriebe e.V. aus Frankfurt sprach über die Bedeutung und Besonderheiten der Selbstständigkeit von Migrantinnen in Deutschland. Migrantinnen als Gründerinnen würden sich durch Kreativität und intrinsische Motivation auszeichnen, ihre Potenziale realisieren und zum Wachstum und Wohlstand des Standortes Deutschland beitragen. Im Rahmen des Forschungsprojektes "Migrantinnen gründen", das von Lange geleitet wird, bekommen Gründerinnen aus verschiedenen Herkunftsländern Unterstützung und Beratung von Mentoren und Mentorinnen mit Gründungserfahrung.

Einen Einblick in die Wissenschaft gab Dr. Andrea Wolffram von der Leibniz Universität Hannover. Sie sprach über die Karrierewege von Wissenschaftsmigrantinnen aus den natur- und Ingenieurwissenschaften. Die von ihr untersuchten Karriereverläufe von Ingenieurinnen und Naturwissenschaftlerinnen aus Osteuropa würden belegen, dass für den Erfolg an einer deutschen Universität vor allem Leistungsorientierung, Disziplin und Ausdauer notwendig sind. Die meisten Wissenschaftlerinnen mit Migrationshintergrund stammen dabei aus Akademikerfamilien und haben sehr früh ihre Begabungen und Leidenschaft für die Wissenschaft entdeckt. Für die befragten Wissenschaftsmigrantinnen ist es außerdem selbstverständlich, parallel zu der Karriere eine Familie zu gründen und Kinder zu bekommen.

Der Workshop betrachtete allerdings nicht nur die Förderung von Migrantinnen, sondern das ganze Konzept des "Diversity Managements" bzw. "Vielfaltsmanagements". Dies bedeutet, dass die Verschiedenartigkeit von Beschäftigten gefördert wird und Diskriminierungen oder Ungleichheiten eliminiert werden. Dabei steht aber nicht die Minderheit selbst im Fokus, sondern die Gesamtheit der Belegschaft in ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten.

So sprachen am Nachmittag Gudrun Müller von der Fraport AG aus Frankfurt, und Kai Teckentrup, Geschäftsführer der Teckentrup GmbH aus Verl, über die Umsetzung von Diversität in ihren Unternehmen. Gudrun Müller ist seit Oktober 2013 die erste Diversity-Managerin der Fraport AG. Sie betonte allerdings: "Diversity gab es schon immer bei Fraport, nur nicht unter diesem Namen." Nun wolle sie die Vielfalt am Frankfurter Flughafen weiterentwickeln und managen. Denn mit Fluggästen, Beschäftigten, Fluggesellschaften und internationalen Geschäftspartnern aus der ganzen Welt ist die Fraport AG "sehr vielfältig und bunt", so Müller. Allein unter den fast 12.000 Beschäftigten finden sich 89 Nationen. Und dies sei wichtig für das Unternehmen, denn die unterschiedlichen Herkunftsländer seien von großem Vorteil, da auch die Fluggäste international sind und so die beste Betreuung gewährleistet werden könne. Deshalb entwickelt Gudrun Müller gerade eine Diversity-Strategie für Fraport. Allerdings sei dabei eins sehr wichtig: "Diversity muss in der Hierarchie von oben nach unten  im Unternehmen verankert werden, ist also auch ein Thema für den Vorstand."

Diese Erkenntnis hatte Kai Teckentrup, Geschäftsführer der Teckentrup GmbH aus Verl, bereits 2002. Er nennt Diversity-Management "einen Unternehmensansatz, um Vorteile zu nutzen und Nachteile abzubauen, die sich aus Vielfalt im Unternehmen ergeben." Dabei sei aber, gerade in einem mittelständischen Unternehmen wie Teckentrup, die Messlatte der unternehmerische Nutzen. So haben die Maßnahmen, wie Sensibilisierung der Führungskräfte, das Einsetzen von Vertrauenspersonen, Förderung von Sportgemeinschaften, oder die Übersetzung von komplizierten Betriebsanleitungen, unter anderem dazu beigetragen, dass die Fehlzeiten bei Teckentrup um 1,9 Prozent gesunken sind. "Dabei ist Diversity aber ein langer Prozess, da reicht nicht eine kleine Aktion", betont Kai Teckentrup. Der "lange Atem"  habe sich beispielsweise auch bei der Anzahl der Frauen in Führungspositionen bestätigt:  So gibt es bei Teckentrup seit fünf Jahren ausschließlich Bewerbungen ohne Namen und Foto. So konnte mittlerweile die Quote von Frauen in Führungspositionen auf 25 Prozent gehoben werden, bei einem gesamten Beschäftigungsanteil der Frauen in der Fertigung von drei Prozent. "Das ergab sich dann von ganz allein", so Kai Teckentrup. Wichtig sei ihm aber auch die Verbindung von Forder- und Fördermaßnahmen gewesen, wie er es nennt. So wurden in Stellenausschreibungen Sprachkompetenzen verankert, aber gleichzeitig Sprachkurse angeboten.

Vom Konzept der Vielfaltförderung überzeugt, gründete Teckentrup mit fünf weiteren Unternehmen  das Netzwerk "Unternehmen Vielfalt Ostwestfalen". Mit der Zielgruppe von kleinen und mittelständischen Unternehmen in Ostwestfalen werden Erfahrungen und Ansätze zur Diversity regelmäßig ausgetauscht. "Gerade hier kommuniziere ich auch die wirtschaftlichen Vorteile wie langfristige Bindung ans Unternehmen, Fehlstundenreduzierung oder  größere Attraktivität für Bewerber, denn der unternehmerische Faktor wird beim Diversity-Management oft nicht gesehen", weiß Teckentrup. Zudem treffen sich die sechs Gründungsunternehmen alle drei Monate und entwickeln eine neue Maßnahme zur Vielfalt, die anschließend im Netzwerk kommuniziert wird. So profitieren diejenigen, die gerade anfangen, von den Erfahrungen der alten Vielfalt-Hasen.