28.03.2014

Pflege und Mode für Jungs, Produktentwicklung und Informatik für Mädchen

Die FH Bielefeld hat wieder beim Girls` Day und Boys´ Day mitgemacht.

Bielefeld (fhb). Die Idee der Veranstaltung: Einen Tag lang schnuppern Mädchen in Technik, und die Jungen testen Fächer, in denen meist mehr Mädchen studieren. Acht Veranstaltungen mit praktischen Übungen, Versuchen und Vorträgen in Bielefeld, Gütersloh und Minden hat die FH Bielefeld in diesem Jahr für die Schülerinnen und Schüler der Klassen fünf bis zehn auf die Beine gestellt.

Im zdi-Schülerinnen- und Schülerlabor der FH Bielefeld bekamen die Schülerinnen zwischen 13 und 16 Jahren einen Einblick hinter die Kulissen der Produktentwicklung. Welcher Prozess steht eigentlich dahinter, bevor ein Produkt "brandneu" im Handel erhältlich ist? Um zu bergreifen, wie man ein Produkt technisch entwickelt und was zu beachten ist, haben die 16 Schülerinnen einen Entwicklungsprozess von der Idee über die Erstellung eines Musters bis hin zum fertigen Produkt durchlaufen. So fertigten die Mädchen erst eine Skizze am Computer. "Es ist spannend, wie genau und präzise man zuschneiden muss, damit daraus später ein Produkt entsteht" sagte die 13-jährige Theiveega Kamalendram vom Bielefelder Ceciliengymnasium. Nach einigem Programmieren und Tüfteln konnten sie schließlich ihren eigenen dreidimensionalen Prototypen mit einer Schmelzschneidemaschine aus Styropor ausschneiden und in Händen halten.

"Wer Mathe studiert, wird nicht immer Lehrerin", erklärte die Mitarbeiterin Elke Koppenrade einer anderen Gruppe, die sich am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik über das Mathematikstudium informierte. Anfänglich schüchtern folgten die Mädchen, die die siebte bis neunte Klasse an Gymnasien und Gesamtschulen in Bielefeld besuchen, der Mitarbeiterin auf einem Rundgang durch das Gebäude. Neben den Büros der Professorinnen und Professoren, in denen die Schülerinnen "ein bisschen mehr Unterlagen erwartet" hatten, durften sie sich auch den größten Hörsaal angucken, der am Standort Am Stadtholz gar nicht so groß ist. "An einer Fachhochschule lernen wir vor allem in kleinen Gruppen", berichtete Elke Koppenrade. Im Unterschied zu vielen universitären Studiengängen herrsche im Studiengang "Angewandte Mathematik" eine familiäre Atmosphäre. Im praktischen Teil durften die Teilnehmerinnen dann noch knobeln, um zu erkennen, was es für Abstraktionen in der Mathematik gibt.

Ebenfalls am Fachbereich Ingenierwissenschaften und Mathematik, am Standort Wilhelm-Bertelsmann-Straße, stellten sich die Studiengänge Maschinenbau und Regenerative Energien vor. Wie bewegt man Figuren und Formen in virtuellen Welten? Warum ist Kunststoff mal hart und mal elastisch? Wie arbeiten eigentlich Photovoltaikzellen? Diesen Fragen gingen die 36 Mädchen in Experimenten nach. Begleitet wurden sie von vier Studentinnen, mit denen sich die Schülerinnen auch über den Studienalltag in einem technischen Fach austauschen konnten. 

Währenddessen durften 25 Mädchen zwischen zwölf und 16 Jahren am Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit lernen, eine Homepage zu erstellen. Bevor Mitarbeiterin Sabine Demoliner die Mädchen mit Texteditor und Browser vertraut machte, erzählte Stefanie Schulze, die Wirtschaftsinformatik studiert, was sie zu ihrer Studienwahl bewegt hat und wie es ist, mit so vielen Jungs zu studieren. Stefanie Schulze hat vor ihrem Studium eine Ausbildung zur Industriekauffrau in einem Informatikunternehmen gemacht und sich dann entschieden, ein Studium anzuschließen. Den Mädchen gab sie mit auf den Weg "man kann auch ohne große Informatik-Vorkenntnisse Wirtschaftsinformatik studieren". In einer großen Runde wurde unter anderem geklärt, ob der Studiengang typisch weiblich oder männlich ist und wie die Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen aussehen. Dann ging es an die praktische Arbeit: Die Erstellung einer Website.

Am Studienort Gütersloh haben acht Schülerinnen der Gesamtschule Spenge und des Gymnasiums Verl im Labor für angewandte Automatisierungstechnik unter Anleitung von Professor Dr. Werner Schwerdtfeger und Mitarbeiterin Vanessa Prott-Warner einen elektrotechnischen Grundlagenversuch durchgearbeitet. Dabei haben sie elektrische Messgeräte kennengelernt und einfache Gleich­stromkreise aufgebaut. Bei konstanter Eingangsspannung haben sie dann für einzelne Widerstandswerte die Spannung und den Strom gemessen und die Wer­te mit den zuvor errechneten verglichen. "Unser Ziel ist, den Mädchen die Hemmungen vor dem Umgang mit technischen Geräten und technischen Fächern zu nehmen und sie bestenfalls für das inge­nieurmäßige Arbeiten zu begeistern", sagt Vanessa Prott-Warner, die am Stu­dienort Gütersloh das Labor betreut. Marie Kampmann (15) und Katharina Schnatmann (14) vom Gymnasi­um Verl hatten mit der Aufgabenstellung keine Probleme: "Das ist ähn­lich wie im Physikunterricht, nur die Herangehensweise und das Material sind anders, zum Beispiel haben wir in der Schule ein anderes Steckbrett ", stellt Marie Kampmann fest. Sie kann sich vorstellen, später mal als Ingeni­eurin in einem technischen Beruf zu arbeiten.

Auch Jungs wurde am Boys` Day an der FH einiges geboten.
21 Schüler aus den Jahrgangsstufen 8 bis 10 haben am Fachbereich Gestaltung Einblicke in die Studiengänge Grafik, Fotografie und Mode erhalten. Nach einer Vorstellung des Fachbereichs durch den Dekan Professor Roman Bezjak, stellte Professorin Willemina Hoenderken zusammen mit dem Studenten Dominik Plaßmann die Studienrichtung Mode vor. Um sich einen Eindruck zu verschaffen, wurden den Jungs Sequenzen aus der letzten Modenschau präsentiert. Auch die Studienrichtung Grafik wurde durch Professor Hoff vorgestellt. Auf den theoretischen folgte der praktische Teil. Die Schüler durften an die Zeichenbretter und ihrer Kreativität freien Lauf lassen. So erklärte Nils Hoff: "Es geht um Kreativitätstraining, man kann auch sagen, Zeichnen als Landeplatz der Gedanken." Nachdem die Teilnehmer ihr zeichnerisches Talent unter Beweis gestellt hatten, konnten sie im Fotostudio eigene Fotos machen. Hierfür mussten die Jungs sowohl die Helligkeit als auch die Schärfe der Kamera genau einstellen und bekamen ein Gefühl dafür, was man bei professionellen Bildern alles berücksichtigen muss.
Der 14-jährige Christian Ott war beeindruckt: "Ich setze mich normalerweise nicht so mit Mode, Grafik und Fotografie auseinander, weil ich eher naturwissenschaftlich interessiert bin, aber ich bin auch offen für andere Dinge".

Auf dem Campus Minden konnten 13 Jungen einen Tag in der Pflege erleben. Nach einer Führung über den Campus ging es in einer Veranstaltung zunächst um die Frage: "Was ist eigentlich Pflege?" Anschließend wurde es praktisch: Im "Skills Lab", dem Pflegelabor, das wie ein Krankenpflegezimmer mit allen technischen Hilfsmitteln ausgestattet ist, konnten die Teilnehmer erfahren, wie die Studierende der Gesundheits-und Krankenpflege lernen. Beim Puls- und Blutdruckmessen und dem Lagern eines Patienten im Pflegebett, konnten sie sich als Gesundheits- und Krankenpfleger ausprobieren. Der Alterssimulationsanzug "Gert" ermöglichte den Jungen außerdem, die Perspektive eines Menschen über 70 einzunehmen. Besonders spannend war auch die "Nursing Anne", eine Simulationspuppe, an der viele Tätigkeiten aus dem Pflegealltag geübt werden können. "Mich hat überrascht, dass es solche Simulationspuppen gibt, die kannte ich nicht" staunte der 10-jährige Paul de Vink aus der fünften Klasse des Ratsgymnasiums in Minden.
Für die 13 Jungen war der Tag ein Erfolg und das Studium der Pflege eine Option für die Zukunft: "Ich finde es gut, dass man im Studium so viele praktische Anteile hat", stellte Benjamin Lehmann (14) aus der 8. Klasse des Mindener Ratsgymnasiums am Ende des Tages fest.

 

Der Girls'Day wurde in diesem Jahr bereits zum 14. Mal in ganz Deutschland durchgeführt. Die Jungs hatten zum dritten Mal die Möglichkeit, in noch "jungenuntypische" Berufsfelder hineinzuschnuppern. Seit 2001 haben mehr als 1,3 Millionen Mädchen am Zukunftstag für Mädchen teilgenommen und in den letzten beiden Jahren schon mehr als 100.000 Jungen.