Thingstätten - Publikation und Datenbank

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Hochschule Bielefeld
Fachbereich Gestaltung
Lampingstr. 3
33615 Bielefeld       
         

Laufzeit

Publikation: 2. Auflage erschienen Dez. 2021 (Laufzeitende)

Datenbank: Laufzeit 2019-2023 (voraussichtlich)


Projektbeteiligung

Künstler*innen: Katharina Bosse, Rebecca Budde de Cancino, Doug Fitch, Jan Merlin Friedrich, Jakob Ganslmeier, Andrea Grützner, Rebecca Hackemann, Konstantin Karchevskiy, Hendrik Lüders, Daniel Mirer, Felix Nürmberger, Ralph Pache, Abhijit Pal, Philipp Robien, Jewgeni Roppel, Simon Schubert, Kuno Seltmann, Erica Shires, Thomas Wrede

Texte von Katharina Bosse, Bernhard Gelderblom, Gerwin Strobl, Beata Wielgosik, Stefan Wunsch


Projektförderung

Publikation: LWL (Laufzeitende 2020 mit der 1. Auflage), Kunststiftung NRW

Datenbank: Kulturwerk VG Bild-Kunst

 

       

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Kurzbeschreibung

European Cultural Heritage Award: Das Projekt wurde 2021 von der Jury in der Kategorie „Forschung“ mit einer besonderen Erwähnung ausgezeichnet.

    

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DIE BEDEUTUNG DER VERGANGENHEIT

Zwischen 1933 und 1936 wurden die sogenannten »Thingstätten« als propagandistische Freilichtbühnen und Versammlungsplätze des Nationalsozialismus erbaut. 400 waren geplant, etwa 60 wurden errichtet. Viele dieser bis heute kaum bekannten Orte sind aktuell noch in Deutschland, Polen und Russland auffindbar. In Form einer interdisziplinären Recherche und der nun vorliegenden Publikation ermöglichen die Werke von 23 internationalen Künstlern und Künstlerinnen sowie Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen eine pluralistische Auseinandersetzung mit der außergewöhnlichen Geschichte der »Thingstätten« sowie ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

Zwischen 1933 und 1936 wurden in Deutschland zahlreiche ideologisch motivierte »Thingstätten« gebaut. Thema der dort aufgeführten »Thingspiele« war die deutsche Geschichte, sie wurden aber auch zu Kundgebungen oder Feiern der NSDAP verwendet und dienten der Inszenierung von »Volksgemeinschaft«. Von diesem Versuch eines propagandistischen Architekturtheaters ist wenig bekannt, obwohl viele architektonische Zeugen heute noch auffindbar sind.

Diese Bühnen hatten in Baugestaltung und Lage einen speziellen Charakter. Sie verwiesen auf die historischen nordischgermanischen Thingplätze, denen sie allerdings weder geografisch noch von der Bedeutung her entsprachen. Der Name »Thingstätte« war eine politische motivierte Aneignung, mit der »Instantgeschichtlichkeit« erzeugt werden sollte. Die neu errichteten Feierstätten verwendeten urtümliche Baumaterialien, befanden sich an landschaftlich eindrucksvoll gelegenen Orten und, ganz wichtig, unter freiem Himmel.

Thingstätte

Mithilfe des Reichsarbeitsdienstes wurden in dem gesamten damaligen Reichsgebiet 60 von den geplanten 400 Thingstätten gebaut. Heute sind noch rund 50 dieser Bauwerke in Deutschland, Polen und Russland auffindbar. »Die Thingstätten stehen für eine Zeit, die heute schwer zu begreifen ist, auch weil auf ihr lange ein Deckmantel des Schweigens lag: Die frühen Jahre der Hitler-Begeisterung. Wenn ich vor der Architektur stehe, ist sie eine stille Herausforderung dazu, mehr über die Geschichte zu erfahren,« so Katharina Bosse, Künstlerin und Herausgeberin der neuen Publikation. »Die Thingstätten haben eine historische und eine zeitgenössische Dimension.«

Die zeitgenössische Bedeutung ergibt sich etwa aus der heutigen Nutzung als Freilichtbühnen, auf denen die Rolling Stones oder der Shanty Chor Wattenscheid auftreten. Thingstätten sind beliebte Ausflugsziele, zu denen Wanderwege oder Mountain-Bike-Routen führen, und deren schöne Lage in der Natur sich als Erlebnisraum anbietet. Und nicht zuletzt sind sie wortwörtlich das, worüber Gras gewachsen ist: Reste der Vergangenheit, nach denen man nicht nur in den Büchern sucht.

Das interdisziplinäre Kunstprojekt »Thingstätten« entwickelte sich seit 2012 aus Fragestellungen zur zeitgenössischen Kunst, mit denen sich Katharina Bosse im Zeitalter der rasanten Weiterentwicklung sozialer Online-Netzwerke beschäftige, darunter die Bedeutung von Kollektiven sowie dem Verhältnis von Plattform zu Content.

Eine weitere Frage ergab sich aus der Bedeutung nationaler Identitäten, und spezifisch der Deutschen. Für die meisten der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler war das Thema der »Thingstätten« vollkommen neu. Sie gestalteten Arbeiten (orts-)spezifisch zu dem vorliegenden Projekt.

Die Motivation zur Teilnahme war je nach Alter, Nationalität und Gender der Gruppenmitglieder ganz unterschiedlich: Einige Konzepte sind biografisch geprägt, andere beruhen auf einer Freude daran, Unbekanntes zu entdecken. Alle Werke beziehen sich jedoch, auf unterschiedliche Weise, auf die eindringliche Formensprache der Thingstätten und unseren heutigen Umgang damit.

Mit der Publikation und ist ein aufwendig gestaltetes Nachschlagewerk, in dem einzelne Thingplätze als Schnittpunkte dienen, in denen sich die Perspektiven unterschiedlicher künstlerischer oder historischer Untersuchungen überschneiden.
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Coverseite der im Projekt entstandenen Publikation \