02.05.2018

Förderpreis der Wilhelm Lorch Stiftung für Rebecca Heine

Rebecca Heine gewann im Mai 2018 mit ihrer Bachelorkollektion "How to spell boy" den Förderpreis der Wilhelm Lorch Stiftung für die beste Abschlussarbeit im Modedesign (Bereich Kreation).

Die Preisverleihung des Förderpreises der Wilhelm Lorch Stiftung fand am 2. und 3.5.2018 auf dem Forum der TextilWirtschaft in Heidelberg und Schwetzingen statt.

 

 
 

How to spell boy

Bachelor-Abschlusskollektion Rebecca Heine

How to spell boy untersucht das Gefühl des Lebensabschnitts der Pubertät. Was Jungen in dieser Zeit empfinden, was sie tragen, wie sich selbst „buchstabieren“. Im Gespräch mit einer Gruppe 30 jähriger Männer entsteht ein klarer Eindruck dieser Zeit, ihrer Erinnerungen an die Pubertät. Verbunden mit einer umfassenden Bildrecherche und der Auseinandersetzung mit dem Film „Mommy“ von Xavier Dolan suche ich meine eigene Schreibweise des Wortes Boy.

Xavier Dolan schafft es in seinem Film „Mommy“ den Prozess der Pubertät, durch ein einfaches, sowie geniales Stilmittel dazustellen, das Bildformat. Das Gefühl, sich selbst als Individuum einen eigenen Platz in der Welt zu erkämpfen, wird durch die Bildsprache im Film sensibel und zugleich wahnsinnig ehrlich erzählt. Das Bildformat wird zum Empfinden des Protagonisten. Es wird zum Raum, in dem der pubertierende Junge sich entfaltet und dessen Grenzen er austestet. Mehrere Szenen ist es ein 1:1 Format, fast quadratisch, viel zu eng und bedrückend für alles Empfundene und wechselt schließlich in ein Breitbandformat, das Raum für Gefühle und Entwicklung zulässt.

Der Körper ist sein Format. Er ist sein Raum, der ihn umgibt, in dem er sein kann. Bisher hat er sich um diesen Bereich keine Gedanken Gemacht. Da war kein Raum. Er war eben er, er war ein Junge. ER war eben sein Körper, sein Körper war er. Anders gab es ihn nicht. In der Zwischenzeit ist ein Raum gewachsen. In dieses Format passt er noch nicht, das füllt er noch nicht aus. Sein Körper wächst schon seitdem er auf der Welt ist, das nimmt er aber jetzt erst wahr. Er steht vorm Spiegel. Seine Arme sind heute länger als gestern.

Und plötzlich ist da eine Lücke zwischen ihm und seinem Körper und auf einmal ist es an ihm, selbst diese Lücke zu füllen und plötzlich fühlt er sich seinem Körper fremd und auf einmal spürt er ihn das erste Mal. In diesem Format stößt er immer wieder auf Grenzen, da ist alles irgendwie viel zu viel. Denn es soll alles hineinpassen, Gefühle, Gemüt, Ich, Du, Körper, Außenwelt. Die Dimension seines Formats scheint zu klein, daraus auszubrechen sein oft geschmiedeter Plan. Sein Format ist verschoben, er versucht sich ihm anzupassen, sich mit ihm zu winden, im sprunghaften Kampf zwischen unendlichem Ausmaß und drückender Enge.

Genau dieser Raum, den jeder Junge in der Pubertät beschreitet und meine eigene Schreibweise dieser Emotionen, setzten sich in der Kollektion zusammen. Im Volumen, in den Proportionen, dem Print und den Details.

Das Volumen verschiebt sich und rutscht an untypische Stellen. Genauso wie der Körper des Jungen und der Raum, der ihn umgibt, sich ohne Vorankündigung verändert und ihn und seine Gefühle verschoben zurücklassen. Die Kleidung bildet so einen verschobenen Raum,  der ein unwohles Gefühl hervorrufen kann, aber auch Raum für Neues und Eigenes zulässt.

Die Gliedmaßen des Jungen werden in der Zeit der Pubertät unverhältnismäßig groß. Die Kleidung, die der Junge trägt ist schnell zu klein, zu kurz, oft geerbt oder abgelegt. In neuen Sachen wirkt er trotzdem verloren, wie als stünde er selbst meist neben sich und seinem Körper. Die Proportionen verändern sich und lassen ein verrücktes Bild und Körpergefühl zurück.


Der Print entsteht aus der Lautschrift des Wortes Boy, /bɔy/. Abstrahiert durch Form und Absteppungen entwickelt sich ein Logo, das die eigene Schreibweise der Kollektion unterstützt und in Bezug auf die Wichtigkeit von Markenkleidung in der Jungendkultur unverzichtbar für die Kollektion ist.

Die Details, wie zum Beispiel Hosentaschen, sind lose und unbrauchbar, trotzdem aber mit Nieten fest mit der Kleidung verbunden. In Ihnen spiegeln sich Sehnsüchte und Gedanken des Jungen, die ihm häufig zu entgleiten drohen, sich aber doch nicht von ihm lösen und seine Persönlichkeit formen.

Die Kollektion besteht aus sechs Outfits mit insgesamt 16 Teilen. Die Kollektion ist ausgehend von typischen sportlich-klassischen HAKA Archetypen entwickelt. Die Materialien der Kollektion sind passend zu Thema gewählt, Jeans und Jersey dürfen in einem Teenagerschrank nicht fehlen. Teddyfell, Karostoff und die kräftigen Farben der Prints bringen spielerisch das Farbkonzept in Einklang. Die Prints entstehen aus geplotteter Flex- und Flockfolie.

Die Arbeit „how to spell boy“ verbindet die Sehnsucht eines Teenagers nach Freiheit und das Gefühl sich in seinem eigenen Körper fremd und seiner Welt eingeengt und klein zu fühlen. Das Format der eigenen Persönlichkeit des Jungen formt sich neu und hinterlässt einen Eindruck des Wandels und des Aufbruchs.