02.07.2018

Goodbye Karl!

Von Natalia Stankiewicz

Zum Ende des Sommersemester 2018 heißt es für Prof. Karl Müller »Goodbye Bielefeld!« Bevor Prof. Karl Müller den Fachbereich Gestaltung nach 27 Jahren in den Ruhestand verlässt, blickt er im Gespräch auf seinen Lebensweg und seine Zeit in Bielefeld zurück.

Wer dich kennt, weiß, dass dein Beruf für dich eine Berufung ist. Was treibt dich an?

Mich treibt vor allem das befriedigende Gefühl an, immer wieder aufs Neue zu sehen, wie aus anfänglich vorsichtigen Ansätzen, Zwischenpräsentationen, Diskussionen und meinen Anregungen überzeugende Arbeiten entstehen. Ganz besonders dann, wenn bei nicht wenigen Studienanfängerinnen und Studienanfängern erkennbar ist, dass sie im Kern in der Lage sind, schon zu diesem Zeitpunkt annähernd abschlussreife Arbeiten zu entwickeln.

Du blickst zurück fast drei Jahrzehnte Lehre am Fachbereich Gestaltung. Welche Erkenntnisse hast du in deinen Seminaren und deinen eigenen Lehrtätigkeiten gewonnen?

Wichtig sind beispielgebende Arbeiten in den Seminaren, aus deren intensiver Betrachtung, Analyse und Diskussionen sich wichtige Anregungen ergeben. Im Nachahmen entstehen dann nicht etwa Kopien, sondern – aus meiner Erfahrung – fast immer sehr eigenständige Arbeiten, die deutlich mit den gegenwärtigen Interessen der Studierenden zu tun haben. Lediglich die Mechaniken der Bildkonzepte, der Bild- und Bild-Text Kombinationen erinnern dann eventuell an Vorbilder. Die Inhalte, die dann transportiert werden, wie auch bewusste Abwandlungen von Formen, lassen in vielen Arbeiten ganz persönliche und originelle Handschriften erkennen. Hier beginnen die ersten Schritte zu einer so wichtigen, gestalterischen Autorenschaft, die eine wesentliche Grundlage für die Zukunft ist.

Du hast bei dem Grafiker Gunter Rambow und dem Fotografen Floris Neusüss studiert: Inwiefern haben dich deine beiden Lehrer bei deinem Werdegang beeinflusst?

 Das ist schwer zu sagen, beide auf unterschiedliche Weise. Bei Gunter Rambow war es die humanistische Haltung in der Gestaltungsarbeit, die Leidenschaft und Vorliebe zu einer Kultur der Objekt- und Bildsprachen. Seine kompromisslose Liebe und Leidenschaft für das Plakat (»niemals unter DIN A0!«). Vielleicht auch, dass gute Gestaltung nicht ohne breite Bildung und das Interesse an anderen Kulturgattungen möglich ist. Bei Floris Neusüss war es eindeutig das Misstrauen gegenüber einer straighten Anwendung der Fotografie, insbesondere als Medium reiner Wirklichkeitsverdopplung. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse führten zu medienreflektierenden Arbeiten. Er vermittelte die Freude am experimentellen und konzeptionellen Bilderfinden und das Interesse am Gestaltungsraum von Bild-Text-Beziehungen. Beeinflusst wurde ich aber sicherlich auch durch die jener Zeit eingeladenen oft provokanten, schalkhaften Künstler und die – für eine Kunsthochschule typisch – ausgeprägte Individualität der Mitstudierenden. Wahrscheinlich waren auch die gegensätzlichen Persönlichkeiten beider Professoren prägen für mich, ebenso der regelmäßige Wechsel aus der freien Kunsthochschule in die vollkommene Andersartigkeit Frankfurter Topagenturen in den Semesterferien. Insgesamt war es sicher die erfahrene Breite des Gestaltungsfachs.

 Welche Momente waren die Schönsten in deiner Lehrzeit am Fachbereich Gestaltung?

Die schönsten Momente waren immer dann, wenn Studienergebnisse aus meinen Seminaren mich sehr überrascht haben. Oft verbunden mit der Erkenntnis, dass es im Grunde weitaus bessere Arbeiten sind, als ich sie jemals im meiner Studienzeit hervorgebracht habe.

Der Design-Beruf entwickelt sich stetig weiter. Über welche Kompetenzen sollten gute Gestalterinnen und Gestalter in Zukunft verfügen? Oder anders gefragt: Welche Lehrbereiche kommen deiner Meinung nach im Design-Studium heute zu kurz?

In erster Linie das Bestreben unkonventionell aber konzeptionell zu denken, nachzudenken, bevor der Computer eingeschaltet wird, jede neue Aufgabe als Herausforderung zu sehen, Probleme zu analysieren und auf überraschende und unverbrauchte Weise zu lösen: Sicher zu sein, nicht nur die eigene Eitelkeit bedient zu haben, und das Bewusstsein, dass eine Form ohne inhaltlichen Bezug nur Dekoration ist. Eine wichtige Kompetenz ist auch, seinen Auftraggebern etwas zu geben, was neu ist, dass ihnen und ihren Klienten weiterhilft und ihnen nicht etwas zu verkaufen, dass sie schon haben.

Zu kurz kommen im Design-Studium meiner Meinung nach die Bildkonzeption in narrativen Kontexten, Strategien und Konzepte digitaler Kommunikation sowie zielorientiertes kreatives Schreiben – und dies jeweils im experimentellen Raum zwischen Kunst und Kommerz.

Eine letzte und ganz andere Frage: Was machst du an deinem ersten Tag im Ruhestand?

Ziemlich sicher wird die Sonne scheinen. Ich werde mich auf mein Lieblingsfahrrad setzen und am Mainufer entlang bis zur Mainmündung und dann weiter in die Weinberge des Rheingaus fahren. Dort treffe ich meine Frau und meine beiden Söhne (alle Gestalter) in einer lauschigen Straußwirtschaft, freue mich über die wundervolle Aussicht auf die Weinberge und den Rhein und denke bei einem guten Glas Wein gemeinsam mit ihnen darüber nach, wer sich künftig für meine Fähigkeiten und Erfahrung noch interessieren könnte. Ganz nebenbei genieße ich diesen Tag so gut das an einem solchen Ort geht.

Vielen Dank für das großartige Gespräch und »Goodbye Karl!« Der Fachbereich wird dich vermissen und wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen!

Über Prof. Karl Müller

In Frankfurt geboren und aufgewachsen, studierte Prof. Karl Müller Visuelle Kommunikation beim Plakatgestalter Gunter Rambow und experimentelle Fotografie bei Floris M. Neusüss an der HbK in Kassel. In den 80er Jahren gründete er die Werbeagentur Moderne Reklame und wurde 1991 als Professor an die FH Bielefeld berufen, wo er im interdisziplinären Kontext Gestaltungslehre und Mediengestaltung lehrt. In seinem Seminar Goodbye Bielefeld recherchieren Studierende des Fachbereiches Gestaltung im Sommersemester 2018 Lebenswege von Karl Müllers Absolventinnen und Absolventen aus 30 Jahren Lehre. Die Projektergebnisse des Kurses werden im Rahmen einer Ausstellung vom 2. bis zum 12. Juli 2018 in der Hochschulgalerie des Fachbereiches Gestaltung gezeigt.

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