21.11.2008

29. Bielefelder Fotosymposium 2008

Fotografie und Mode im Dialog.

Körper als Kampfzone
21. und 22. November 2008

Mit dem menschlichen Körper ist stets die Vorstellung von unmittelbarer Erfahrung verbunden. Als Sitz der Sinne ist der Körper in unserer Vorstellung ein vielgliedriges Gesamtorgan, es hilft der Orientierung und dient der Wahrnehmung. Körper ist schlechthin Metapher für unverstelltes Fühlen, jede Verletzung der ideal gesetzten Ganzheit wird als eine direkte Einschränkung in den Funktionen empfunden, als eine Hinderung an der uneingeschränkten Teilhabe am Leben. Kurz: Der Körper ist das Wesen, das zur Beschreibung unserer Empfindungen keine Übersetzung braucht. Er registriert Einschreibungen von emotionsgeladenen Erfahrungen, von jenen Dauerspuren, die den Körper zum Austragungsort und Symbolisierungsfeld von in der Psyche sich verborgen haltenden Konflikten haben werden lassen.
Körper als Kampfzone zu verstehen, rückt den Fokus auf dessen mediale Inszenierung. Körper-Szenarien, nicht zuletzt jene, die aus den Geschlechterkonflikten resultieren, werden für Fotografie und Mode gleichermaßen zu Kreuzungspunkten von Sehweisen, die den menschlichen Körper in seiner Verletzbarkeit verdeutlichen, stets um Suche nach Schutz bemüht. Die Mode potenziert die Signale der Körperbefindlichkeit, verstärkt die Sinne in ihren Artikulationen aus Fühlen und Zeigen, zusammengestellt zu kulturellen Signalen. Im Crossing der Materialien, Medien und Gattungen erfährt Mode als Mittlerin zwischen Körper und Hülle die Chance, sich ihrer ihr oftmals angelasteten Flüchtigkeit und Wandlungsbereitschaft als der Gegenwart angemessene mediale und zeichenhafte Zeugin des Körpers bewußt zu werden, nicht zuletzt im Dialog mit der Fotografie.

Einerseits ist die Mode in ihrer Sucht nach dem Neuen, Lebenden auf der Flucht vor dem Tod. Andererseits verändert die Mode als Kostüm und Maske den natürlichen Körper in eine künstliche Erscheinung. Der Körper wird dadurch nicht nur zugleich natürlich und künstlich, sondern auch lebendig und tot. Fotografie potenziert jene Erinnerungsspur an die Vergänglichkeit des Körpers, die sich ins Bildgedächtnis, das auch ein Körpergedächtnis ist, einschreibt, ist sie doch Zeugin des gelebten Augenblicks. Der Körper erscheint in diesem Prozess als jene Kampfzone, die Mode und Fotografie nicht einfach begleitend kommentieren, sondern existentiell aufwerten, als Passagen erlittener und zugleich inszenierter Schmerzspuren in flüchtiger Zeit.


Martin Roman Deppner