FiliP

Flexible und intelligente Pflegepersonalplanung für ein demografiefestes Krankenhaus

Logo des Projekts FiliP

Projektleitung

Prof. Dr. Annette Nauerth
Prof. Dr. Hermann-Josef Kruse
Prof. Dr. Bernhard Bachmann

Laufzeit

01.10.2015 – 31.12.2018

Projektförderung

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Förderlinie SILQUA-FH 2015

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Forschung_an_Fachhochschulen

 

Projektpartner

St. Johannisstift Paderborn
Franziskus Hospital Bielefeld
Klinikum Gütersloh

Projektbeschreibung

Ziel des FiliP-Projekts war es, ein Software-Tool (Prototyp) zu entwickeln und zu erproben, das Kliniken ressourcenschonend und flexibel bei der strategischen Pflegepersonalplanung unterstützt. Eine Besonderheit der Personalplanung mit dem FiliP-Tool sollte die Möglichkeit sein, den Pflegeaufwand von Patientinnen und Patienten und die arbeitszeitbezogenen Bedürfnisse von Pflegekräften einzubinden.

Bei der Entwicklung des Tools haben Forscherinnen und Forscher aus Pflegewissenschaft und Mathematik der Fachhochschule Bielefeld drei Jahre lang erfolgreich zusammengearbeitet. Einen hohen Praxisbezug stellte eine Kooperation mit drei Kliniken der Region Ostwestfalen-Lippe, dem Franziskus Hospital Bielefeld, dem Klinikum Gütersloh und dem Krankenhaus St. Johannisstift Paderborn, sicher. Sie stellten jeweils eine Station (zwei internistische und eine geriatrische) zur Verfügung, auf der die Pflegepersonalplanung exemplarisch modelliert wurde.

Ausgangslage in der Krankenhauspflege

Hintergrund des Projektes ist die aktuelle Situation in der Pflege, die unter anderem durch einen steigenden Anteil älterer Pflegekräfte in den Belegschaften gekennzeichnet ist. Zudem ist die Arbeit in der Pflege vergleichsweise belastend. Inwieweit sich die Gegebenheiten in der Pflege als Belastung auswirken, ist auch altersabhängig. Jüngere Pflegekräfte empfinden beispielsweise die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf als belastend. Ältere Pflegekräfte fühlen sich etwa durch Nacht- und Schichtarbeit und den Dienstzeiten-Wechsel belastet. Dementsprechend wurde im FiliP-Projekt resümiert, dass eine mitarbeiterorientierte Personalplanung frühzeitig und flexibel auf die verschiedenen Lebensphasen der Pflegenden eingehen muss, um die Beschäftigten langfristig binden zu können bzw. ihre Arbeitsfähigkeit bis ins höhere Alter zu erhalten.

Entwicklung eines Patientenklassifikationssystems

Um den Pflegeaufwand von Patientinnen und Patienten in das FiliP-Tool einbinden zu können, wurde im Projekt ein Patientenklassifikationssystem entwickelt, mit dem sich aus den Zustands- und Behandlungsmerkmalen (u. a. Fähigkeiten und Einschränkungen, Merkmale wie Wunden, Katheter etc.) von Patientinnen und Patienten der zeitliche Pflegeaufwand prognostizieren lässt (siehe Downloads Assessmentbogen). Die Erfassung des Pflegeaufwands (in Minuten) erfolgte mittels einer Zeitmessung (drei Tage auf jeder Modellstation im Abstand von mindestens 14 Tagen) (siehe Downloads Zeiterfassungsbogen). Dazu wurden die Pflegekräfte der Station über eine komplette Früh- und Spätschicht von einer/einem Kodierer/-in begleitet. Diese Person stoppte die Zeit, die die Pflegekraft mit patientennahen und patientenfernen Tätigkeiten (z. B. Dokumentation, Fallbesprechungen) pro Patient/-in verbrachte. Mit dem aus diesen Daten entwickelten Patientenklassifikationssystem ist es möglich, die Soll-Schichtbesetzung einer Station auf den Pflegeaufwand auszurichten.

Erfassung der arbeitszeitbezogenen Bedürfnisse von Pflegekräften  

Die Bedürfnisse der Pflegekräfte wurden mittels Interviews und einer Fragebogenerhebung erfasst (siehe Downloads Fragebogen zu arbeitszeitbezogenen Belastungen und Bedürfnissen von Pflegekräften). In den Interviews mit ausgewählten Pflegekräften der Modellstationen ging es u. a. um arbeitsplatzbezogene und private Rahmenbedingungen. Die Interviewergebnisse sind dann in einen Fragebogen eingeflossen, der arbeitszeitbezogene Belastungen und Bedürfnisse z. B. im Hinblick auf Dienste, Dienstzeiten und Wochenenden umfasste. Die Fragebogenerhebung erfolgte auf den Modellstationen und klinikweit. Auch wenn bestimmte Bedürfnisse, etwa verlässliche freie Tage, und Belastungen, wie der Nachtdienst, besonders häufig genannt wurden, zeigen die Ergebnisse, dass diese, bezogen auf jede einzelne Pflegekraft, sehr individuell sind. Eine bedürfnisorientierte Personalplanung wird dadurch sehr komplex, was für die Arbeit mit dem im FiliP-Projekt entwickelten Tool spricht.

Das FiliP-Tool

Im FiliP-Tool ist ein mathematisches Modell (Petri-Netz) hinterlegt, das auf der objektorientierten Modellierungssprache Modelica basiert. Es enthält zahlreiche Daten, wie z. B. die Sollbesetzung einer Station, gesetzliche Bestimmungen, Krankheitsfälle, Urlaubsregelungen sowie – bisher in Ansätzen – die Bedürfnisse der Pflegekräfte und Angaben zum Pflegeaufwand der Patientinnen und Patienten. Mit diesen Daten können Simulationen durchgeführt werden, die die Entscheidungsfindung in der Personalplanung unterstützen. Im Modell erfolgt eine Simulation über 365 Tage. Mit den Simulationsergebnissen lassen sich Aussagen zur Betriebsfähigkeit einer Station treffen, z. B., ob diese bei einer Veränderung des Schichtsystems noch aufrechterhalten werden kann.

Die Bedürfniserfüllung bei den Pflegekräften erfolgt über im Tool festgelegte Restriktionen (z. B. Ruhezeiten, vertragliche Vereinbarungen bzw. Absprachen zum Schichtdienst oder zur Arbeit am Wochenende). Diese können im Modell nicht verletzt werden. Das bedeutet, dass darin zugelassen wird, eine Schicht aufgrund der Restriktionen zwangsläufig nicht mit dem Soll an Pflegekräften zu besetzen. In diesem Fall wird diese Schicht mit weniger Pflegekräften, oder im Extremfall, mit gar keinem Personal besetzt. Hier weicht das Modell von der Realität ab, in der es nicht vorkommen darf, dass eine Schicht unbesetzt ist. Für die Simulation ist dieses Vorgehen aber wichtig, um zu verhindern, dass die Ergebnisse durch das „Verletzen“ von Restriktionen verfälscht werden, wie es in der Realität üblich ist, etwa, wenn Pflegekräfte einspringen müssen, obwohl sie eigentlich einen freien Tag haben.

Als zentrale Kenngröße bei der Modellierung dient das sogenannte Besetzungsdefizit, die Differenz aus Sollbesetzung und Istbesetzung. Dieses erhöht sich beispielsweise bei einem für eine Stationsbesetzung ungünstigen Schichtsystem. Das Modell bietet zahlreiche Simulationsmöglichkeiten. So können Verantwortliche etwa testen, wie sich ein höherer Anteil an Teilzeitkräften, das Wegfallen oder Hinzunehmen von Personal oder verschiedene Arbeitszeit- und Schichtmodelle auf die Personalbesetzung einer Station auswirken. Die Bedienung des FiliP-Tools erfolgt über eine Excel-Oberfläche. Im FiliP-Projekt hatten die kooperierenden Kliniken die Möglichkeit, spezifische Fragestellungen modellieren zu lassen. Von Interesse war für sie beispielsweise, wie sich das Hinzufügen und Wegfallen von Vollzeitkräften (VK) auf ihrer Station auswirkt. Das Ergebnis der Simulation ist in der folgenden Abbildung dargestellt:

Filip Ergebnisse

 Abbildung: Simulationsergebnisse Hinzufügen und Wegfallen von Vollzeitkräften (VK)

Ohne an dieser Stelle auf mathematische Details einzugehen, wird in der Abbildung sichtbar, dass die fiktive Station in diesem Beispiel aufgrund ihrer Istbesetzung etwa 250 unbesetzte Dienste im Jahr aufweist (siehe roter Kreis). Mit dem Wegfallen einer weiteren Vollzeitkraft verschärft sich diese Situation und etwa 500 Dienste bleiben unbesetzt (siehe grüner Kreis). Zusätzliche Vollzeitkräfte können dieses Defizit nur bedingt auffangen, hier tritt bei einer weiteren Personalaufstockung eine gewisse Sättigung ein. Weitere Anliegen einzelner Kooperationspartner waren z. B., verschiedene Schichtmodelle (z. B. ein Vier- statt ein Drei-Schicht-System) oder die Einbeziehung eines Pflegepersonal-Pools zu testen.

Erstes Fazit und Ausblick

Zum Abschluss des Projektes haben die Kooperationskliniken ihre Simulationsergebnisse und eine umfassende Schulung mit dem FiliP-Tool erhalten. Im Rahmen eines Abschlussworkshops wurden die Projektergebnisse der (Fach-)Öffentlichkeit präsentiert. Es zeigte sich, dass die gewählte Kenngröße des Besetzungsdefizits für die Praxis gut interpretierbar ist. Zudem äußerten die Kooperationspartner, dass das Tool überwiegend selbsterklärend sei und mehr abbilden könne, als erwartet. Auch im Kontakt mit weiteren Kliniken wurde deutlich, dass das FiliP-Tool eine Innovation ist, die im Klinikalltag eine große Unterstützung für die Entscheidungsfindung in der Pflegepersonalplanung wäre.  

Bisher liegt ein Prototyp des Tools vor. Dieser kann heruntergeladen und genutzt werden. Alle erforderlichen Informationen zur Nutzung befinden sich in einer Broschüre (siehe Downloads Broschüre zur Nutzung des FiliP-Tools). Zukünftig kann der Prototyp beliebig erweitert und um Komfortfunktionen ergänzt werden. Da es sich um eine Open Source-Lösung handelt, ist eine kostengünstige Verbreitung möglich. Möglichkeiten einer Verstetigung und wirtschaftlichen Nutzung des FiliP-Tools werden ausgelotet.

 

Kontakt

Allgemeine Informationen oder Fragen zum FiliP-Tool

Prof. Dr. Annette Nauerth
Tel.: 0521/106-7436
E-Mail: FiLiP@fh-bielefeld.de

Prof. Dr. Bernhard Bachmann
Tel.: 0521/106-7407
E-Mail: FiliP@fh-bielefeld.de

Technische Fragen zum FiliP-Tool

Dipl.-Wirt.-Math. Ralf Derdau
Tel.: 0521/106-7404
E-Mail: FiLiP@fh-bielefeld.de

 

Publikationen

Lask, T., Kruse, H.-J., Bachmann, B. (2016). Simulation und Optimierung der Personalplanung im Pflegebereich von Krankenhäusern durch Petri-Netz-Modelle. In: Kruse, H.-J., Lask, T. (Hrsg.). Angewandte mathematische Modellierung und Optimierung. Bielefeld: Forschungsreihe des Fachbereichs Ingenieurwissenschaften und Mathematik, Band 4. Link: https://www.researchgate.net/publication/297715273_Simulation_und_Optimierung_der_Personalplanung_im_Pflegebereich_von_Krankenhausern_durch_Petri-Netz-Modelle

Silberberg, J., Lask, T., Bachmann, B. (2016). Formalismen für gefärbte Petri-Netze und Verfahren zur effizienten Bestimmung von aktiven Modus-Mengen. Bielefeld: AMMO – Berichte aus Forschung und Technologietransfer, Heft Nr. 8. Link: https://www.researchgate.net/publication/305688049_Formalismen_fur_gefarbte_Petri-Netze_und_Verfahren_zur_effizienten_Bestimmung_von_aktiven_Modus-Mengen

Lask, T. (2017). Stochastic time Petri nets. Time processes modelling in Modelica and application in hospital and health care. In EOOLT’17: 8th International Workshop on Equation-Based Object-Oriented Languages and Tools, December 1, 2017, Wessling, Germany. ACM, New York, NY, USA, Article 5, 8 pages. Link: https://dl.acm.org/citation.cfm?doid=3158191.3158196