18.05.2016

Gastprofessur in Shanghai

Shanghai – übersetzt bedeutet dies „die Stadt am Meer“. In dieser Millionenmetropole verbrachte Prof. Franz Feyerabend vom Fachbereich IuM von Mitte März bis Mitte April 2016 vier Wochen als Gastprofessor.

Auf Einladung der Shanghai Normal University lehrte Franz Feyerabend vor allem Inhalte der Fahrzeugtechnik und zum Thema Verbrennungsmotoren, wie 4-Takter-Otto-Motoren und Dieselmotoren.

Die chinesischen Studierenden, die er unterrichtete, lernen seit drei Jahren Deutsch und da die Universität einen bilingualen Fokus mit deutsch-chinesischen Veranstaltungen anbietet, ist die Sprache fest im Lehrplan verankert. Zusätzlich sind pro Semester zwei bis drei deutsche Lehrende vor Ort, denn das Ziel ist es, die Fachinhalte nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch im deutschen Stil zu vermitteln. Zudem werden deutsche Lehrbücher und Materialen zur Lehre genutzt und die Chinesen geben sich gegenseitig in den Sprachkursen deutsche Namen.

„Die chinesischen Studierenden sind sehr fit in der deutschen Sprache, sodass ich die Vorlesungen zu 80 Prozent auf Deutsch und zu 20 Prozent auf Englisch halten konnte und Englisch nur genutzt habe, um die Bedeutung einzelner unbekannter Fachwörter zu klären.“, so Feyerabend.

Pro Stufe sind 70 Studierende im Studiengang Fahrzeugtechnik an der Shanghai Normal University eingeschrieben, davon dürfen die 30 leistungsstärksten Studierenden für ein Jahr nach Deutschland gehen – vorausgesetzt sie bestehen den Deutschtest und haben genug Geld für den Studienaufenthalt.

Prof. Feyerabend beschreibt die Hochschule als hochmodern. Die mediale Ausstattung sei auf dem neusten Stand und das Gebäude habe riesige Dimensionen – kein Wunder bei 50.000 Studierenden. Die Chinesen lernen ganz anders, sie sind diszipliniert und immer präsent auch ohne Anwesenheitspflicht. Sie lernen unbefangen, sind wissbegierig und haben keine Scheu, Fragen zu stellen. In den Räumen wird sehr eng gesessen, die Studierenden machen sich viele Notizen und ihre Stärke sei das Auswendiglernen in Mustern, berichtet Feyerabend weiter. In den Lehrveranstaltungen werden neben verpflichtenden e-learning Einheiten lediglich Skripte genutzt und beispielsweise keine Tablet-PCs. Neben dem Hauptprofessor sind zudem immer sogenannte „Co-Teacher“ anwesend. Insgesamt ist das System sehr viel verschulter. Es gibt Klassenverbände und die Studierenden sind im Schnitt 20 bis 21 Jahre alt, weshalb Feyerabend eher von „Unterricht“ spricht.

Die Studierenden äußerten sich begeistert über Feyerabends aktivierende Lehre, sowie die betriebliche Fachlichkeit, denn vor Ort seien die Professorinnen und Professoren reine Theoretiker. Unterstützend organisierte Prof. Feyerabend chinesisch-deutsche Videobotschaften, in denen die FH-Studierenden aus Bielefeld chinesische Studierende grüßen und schaffte es so deutsch-chinesische Kontakte zwischen Studierenden herzustellen.

Professorinnen und Professoren genießen laut Franz Feyerabend in China hohen Respekt, einen unheimlichen Status, aber auch großes Vertrauen. Die Machtdistanz sei dabei so hoch, dass nicht zusammen an einem Tisch mit Studierenden gegessen wird. Die Universität in Shanghai hat insgesamt viele internationale Lehrende, die auch Englisch, Deutsch, Französisch oder sogar Portugiesisch sprechen. Das Ziel dieser strategischen Ausrichtung ist es, die Weltoffenheit der Studierenden zu fördern und den erwarteten Standards zu entsprechen.

Der Hochschulcampus sei fast eine kleine Stadt: Es gibt Friseure, Schneider, Supermärkte, Boutiquen, Bäcker und vieles mehr. Man verlässt das Gelände eigentlich nur, wenn man mal die Eltern besuchen möchte oder manchmal auch für kleine Ausflüge. Trotz hochmoderner Ausstattung, ist es üblich, dass die Studierenden im Winter bei zwei Grad mit Mantel und Schal in den Veranstaltungen sitzen, da keine Heizungen vorhanden sind, dies ist aus deutscher Sicht einer der vielen kleinen Widersprüche des Landes.

Die Tage auf dem Campus laufen sehr strukturiert ab. Alle Studierenden wohnen auf dem Campusgelände und teilen sich zu viert oder zu sechst die Zimmer, in denen sie schlafen. Auf regelmäßige Sport- und Freizeitaktivitäten auf dem parkähnlichen Gelände des Campus, wird sehr viel Wert gelegt. Mittags wird in der hochschuleigenen Mensa gegessen. Dort gibt es einen Wachschutz vor der Mensa und aufgrund der Menschenmassen wird mit dem Megaphon an den Kassen dazu aufgerufen, nicht stehen zu bleiben. Am Ende zahlt man dann mit Handy – nicht mit Geld. Traditionell wird mit Stäbchen gegessen. Reis essen nur Studierende, denn es wird nicht als edles Essen angesehen. Prof. Feyerabend wurde aus Gastfreundschaft beinahe zweimal täglich zu einem Essen eingeladen und bei diesen Gastessen gab es dann immer Fleisch, obwohl er nach eigenen Angaben sehr gerne auch mal Reis gegessen hätte.

Der Hochschulcampus befindet sich in einem Stadtteil der übersetzt „Hochschule“ heißt und beherbergt aus diesem Grund auch gleich mehrere Hochschulen nebeneinander. Zahlreiche Busse mit Lehrpersonal fahren morgens aus unterschiedlichen Stadtteilen zu den Hochschulen, die etwa 40 km vom Zentrum entfernt liegen. Auch aus diesem Grund leben die Studierenden auf ihrem jeweiligen Campus. Sie leben in engen, aber modernen Hochhäusern mit bis zu 15 Stockwerken und Etagentoiletten. Auch Franz Feyerabend fuhr jeden Morgen um 6:30 Uhr eine Stunde mit den meist vollen Bussen bis zum Campus. Gästehotels gibt es nur für externe Lehrkräfte oder Eltern und Geschwister, die Studierende der Universität besuchen.

Abgesehen vom Hochschulleben hat Prof. Feyerabend viele Ausflüge erlebt, eine chinesische Dolmetscherin zur Seite gestellt bekommen und an dem Betreuungsprogramm für internationale Professoren teilgenommen. Er hat viel Zeit im hochschuleigenen Park verbracht und bei der Gelegenheit beim Karaoke zugeschaut oder in seinem Zimmer chinesisches Fernsehen gesehen, um so gut wie möglich in das Leben des Landes eintauchen zu können.

Die Studierenden fragten ihren Gastprofessor nach der letzten Unterrichtsstunde, ob er bereits das Meer gesehen habe und ob sie es ihm zeigen dürften. So wurde ein gemeinsamer Ausflug zum Pazifik organisiert und Feyerabend genoss die abenteuerliche Reise zum Strand.

Enger Kontakt zu Studierenden sei jedoch ungewöhnlich. Zu seinem Abschied wünschte sich Feyerabend dennoch ein Essen mit Studierenden und Lehrenden. Der chinesische Dekan zeigte sich bereit, neue Wege zu gehen und hat das Programm geändert, sodass die Trennung zwischen Professoren und Studierenden ein wenig aufgehoben wurde und alle zusammen Feyerabends Abschied begehen konnten.

„In den ersten zwei Tagen musste ich mich erst einmal an das Essen mit Aufsichtspersonal sowie an die Atmosphäre in den Lehrräumen gewöhnen, in denen die chinesischen Studierenden wie im Chor gemeinsam aus Skripten vorlesen“, so Feyerabend. Davon abgesehen, seien die Studierenden zwar unterschiedlich, aber in vielerlei Hinsicht wiederum nicht anders als in Deutschland auch. Es werde im Unterricht gegessen, getuschelt und in den letzten Reihen auch mal geschlafen. Die Begeisterung über den deutschen Professor in Shanghai war groß, sodass Prof. Feyerabend gleich für September dieses Jahres und auch für das kommende Jahr bereits zwei Einladungen ausgesprochen bekommen hat. Sollte er der Einladung noch einmal Folge leisten, stellt er sich vor, Workshops je nach Stärke der Studierenden anzubieten, um mit aktivierendem Unterricht die Nachhaltigkeit der Lehre zu verbessern.

Die persönliche Bereicherung für Prof. Feyerabend war groß: „Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, stets authentisch zu bleiben. Ich bin diese Reise aus Neugier angetreten, um eine persönliche Entdeckungsreise zu machen und habe wieder gemerkt, dass es sich lohnt, zu tun, was einem Freude bereitet und schätze nun noch mehr die hohe Qualität der Lehre in Bielefeld.“ (ab)