30.06.2017

Brexit? Abwarten!

Der Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik veranstaltet den wirtschaftspolitischen Abend der IHK-Begegnungswoche im FH-Hauptgebäude.

Bielefeld (fhb). Einmal im Jahr beschäftigt sich die Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen zu Bielefeld innerhalb ihrer IHK-Begegnungswoche intensiv mit einem anderen Industrieland. Von Montag bis Mittwoch stand unter dem Motto „Ostwestfalen meets Great Britain“ das Vereinigte Königreich im Mittelpunkt des Interesses. Und obwohl das Land bereits vor dem Brexit-Votum ausgewählt wurde, war der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) das beherrschende Thema. So auch beim abschließenden traditionellen wirtschaftspolitischen Abend, der vom Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der Fachhochschule (FH) Bielefeld für rund 230 Gäste ausgerichtet wurde.

Moderiert wurde die Veranstaltung von ARD-Börsenexperten Frank Lehmann, der den Abend mit einem Impulsvortrag eröffnete. Anschließend diskutierte er zum Thema „Brexit & Co. – Neuer Kurs für Europa?“ mit Prof. Dr. Lothar Budde, Dekan des Fachbereichs Ingenieurwissenschaften und Mathematik der FH Bielefeld, Doris Abeln, Geschäftsleiterin Deutschland der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG, Christoph Harras-Wolff, Geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Kurt Wolff-Gruppe, Dr. Eduard Sailer, ehemaliger Geschäftsführer Technik der Miele & Cie. KG, Johannes Haas, General Manager der DZ Bank AG London Branch, Jan Willem Velthuijsen, Leiter des Brexit-Office der PricewaterhouseCoopers GmbH WPG, Dr. Ernst Wolf, Geschäftsführer der Gustav Wolf GmbH, und Rudolf Delius, Geschäftsführer der C.A. Delius & Söhne GmbH &Co. KG.

In seinem einleitenden Vortrag schlug Lehmann einen weiten Bogen von der derzeitigen weltweiten politischen und wirtschaftspolitischen Lage bis zum Brexit im Speziellen. Zunächst stand für „Mr. Börse“ aber sein eigentliches Betätigungsfeld im Vordergrund: „Die deutschen Kleinanleger scheuen die Börse, deshalb haben wir eine so große Ungleichheit beim Vermögen“, meinte Lehmann. Derzeit gebe es laut Umfragen eine große politische Unsicherheit und gleichzeitig eine große Risikofreude an der Börse. „So etwas gab es noch nicht, habe ich jedenfalls noch nie erlebt“, so Lehmann. Ein Volkswirt müsse aber auch immer das „große Ganze“ im Auge behalten, und im Zuge der Globalisierung hätten kleinste politische oder wirtschaftliche Veränderungen zum Teil immense Auswirkung auf die Börsenkurse: „Die weltpolitische Lage ist derzeit zum Teil erschreckend, aber auch hochspannend“.

In der Podiumsdiskussion wollte Frank Lehmann von den ostwestfälischen Unternehmensvertretern wissen, wie sie sich auf den Brexit vorbereiten. Die einheitliche Antwort: Abwarten, da noch keine Rahmenbedingungen bekannt seien. „Für Alpecin ist Großbritannien ein schwieriger Markt, aber gleichzeitig der wichtigste Auslandsmarkt“, so Harras-Wolff. Deshalb habe er weniger Befürchtungen vor künftigen Einfuhrhindernissen oder Zöllen, da „bei uns immer der Markt entscheidet“. So sah es auch Doris Abeln: „Trends kommen aus den USA zuerst dort an, bevor sie auf das europäische Festland gelangen.“ Deshalb sei der britische Mark für Oetker richtungsweisend. Dr. Eduard Sailer von Miele bekräftigte sogar, dass eine Produktion extra für den britischen Markt in seinem Hause unabdingbar sei: „Mit den zentraleuropäischen Geräten hätten wir dort keinen Erfolg gehabt.“ Als Beispiel nannte er die Stabstaubsauger, die sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Großbritannien sehr beliebt seien, hierzulande dagegen nicht.

Prof. Dr. Lothar Budde unterstrich, dass gerade die Arbeitskräfte eine entscheidende Rolle beim Brexit spielen würden: „In Ostwestfalen dominiert der Maschinenbau. Viele Monteure sind unter der Woche in Großbritannien. Das kann zukünftig problematisch werden.“ Abeln berichtete, dass bei der britischen Oetker-Tochter rund 40 Prozent der Beschäftigten aus dem europäischen Ausland kämen. „Da herrscht eine große Unsicherheit. Einige Arbeitskräfte verlassen bereits jetzt das Land“, so Abeln, die während des Brexit-Votums am Standort in Leeds tätig war.

Einig waren sich alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion, dass der bevorstehende Austritt Großbritanniens ein neues Gemeinschaftsgefühl innerhalb der EU ausgelöst habe. „Dies sollte genutzt werden, um sich auf wichtige Themen zu konzentrieren, die europaweit geklärt werden müssen und einen Mehrwert für die Mitgliedsstaaten darstellen – wie Afrika und die Flüchtlingsfrage. Dann wird Europa auch wieder attraktiver“, sagte Christoph Harras-Wolff.


Bildergalerie:
Impressionen des Abends