18.01.2022

Eine Bewerbung ist keine Einbahnstraße

Über Karrierewege für Studentinnen nach dem Hochschulabschluss.

Rund 100 Bachelor- und Masterstudentinnen sowie einige Promovendinnen haben an der  Online-Veranstaltung teilgenommen: „Meet the Female Professionals! Karrierewege nach dem Hochschulabschluss“. Wie sehen berufliche Einstiegsmöglichkeiten für Akademikerinnen aus? Was sind die Herausforderungen für Absolventinnen und Doktorandinnen? Diese und andere Fragen wurden an die fünf eingeladenen Unternehmensvertreterinnen herangetragen. Organisiert und moderiert wurde die Veranstaltung vom Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL, vom Career Service und dem Gleichstellungsbüro der Universität Bielefeld sowie dem Praxisbüro aus dem Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik (IuM) der Fachhochschule (FH) Bielefeld.

 „Uns ist wichtig, abzubilden, was für ein breites Spektrum an beruflichen Möglichkeiten in der Technologieregion Ostwestfalen-Lippe steckt und dabei gleichzeitig aufzuzeigen, wie junge Frauen, die heute in Führungspositionen sind, ihren Berufseinstieg erfolgreich gemeistert haben“, berichtet Christina Rouvray, Projektmanagerin beim Kompetenzzentrum OWL.

„Die Erfahrung aus den Beratungsgesprächen zeigt, dass Studentinnen sich in Bezug auf ihre Fähigkeiten oder die Eignung für eine Stellenausschreibung häufig unsicher fühlen und ihnen auch deshalb der Mut fehlt, selbstbewusst in den Bewerbungsprozess einzusteigen“, weiß Brigitte Böwingloh von der FH Bielefeld. „Diese Einstellung ist leider sehr häufig bei Akademikerinnen zu beobachten“, bestätigen Dörte Husmann und Dr. Julia Koppmann vom Career Service der Universität Bielefeld. „Wie könnte man dieser Tatsache besser begegnen, als erfolgreiche Frauen von ihren Erfahrungen und auch von ihren Sorgen aus eben dieser Lebensphase berichten zu lassen“, bringt es Husmann auf den Punkt.

Kirsten Käuper, Projektmanagerin bei Böllhoff Verbindungstechnik, ist davon überzeugt, dass jeder einzelne Schritt während eines Bewerbungsprozesses ein Gewinn ist: „Auch wenn ihr nur herausfindet, was ihr nicht wollt, dann ist das sehr viel wert.“ Referentin Christine Korn, Leiterin im Kundenmanagement bei DMG MORI Digital, stimmte zu, dass die Kultur des Unternehmens zu einem passen müsse. Auch deshalb sei jedes einzelne Bewerbungsgespräch eine Chance. „Recherchiert vorab, soviel ihr könnt. Über XING oder LinkedIn könnt ihr häufig schon einiges über die Personen, die euch gegenüber sitzen werden, herausfinden. Im Gespräch achtet dann auf euer Gefühl. Gelingt ein positiver und authentischer Beziehungsaufbau? Fragt euch, ob ihr und das Unternehmen wirklich zusammenpasst“, lautet die Empfehlung Korns. Darüber hinaus wies sie darauf hin, dass sich die Absolventinnen möglichst breit und vielfältig aufstellen und die Jobsuche auch so gestalten sollten. Die Jobs seien vielfältiger und komplexer als je zuvor. „Traut euch! In Sachen Bewerbungstraining könnt ihr nur gewinnen“, so ihr ermutigender Aufruf. 

„Eine frühzeitige Vernetzung ist entscheidend. Schaut euch schon während des Studiums aufmerksam um. Wer in meinem Umfeld hat welchen Job? Was suche ich? Seid nicht reaktiv, sondern proaktiv und recherchiert “, bestärkt Bianca Rolf die Tipps ihrer Vorrednerinnen. Rolf selbst ist Leiterin im Bereich Weiterbildung und Personalentwicklung beim Unternehmen synartIQ. Zudem werde häufig fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die gelernten Theorien im Vordergrund stünden. Im Bewerbungsgespräch seien praktische Erfahrungen meist von größerem Interesse. „Überlegt euch, mit welchen Beispielen ihr welche eurer Fähigkeiten untermauern könnt“, bekräftigt Käuper diese These. Die anwesenden Expertinnen empfahlen allesamt, Werkstudentenjobs als Einstiegsmöglichkeit zu nutzen. 

Marlene Katern, in der Personalgewinnung bei Baxter tätig, ergänzt: „Gebt euch nicht selber eine Absage, weil ihr nicht alle Anforderungen erfüllt. Seid mutig und bewerbt euch dennoch. Und falls ihr eine Absage erhaltet, fragt nach, warum es nicht geklappt hat.“ Auch das sei durchaus üblich, so Katern weiter. Im Laufe der Gespräche wurden auch Fragen aufgrund von Negativerlebnissen gestellt. So hatten einige Studentinnen Sorge in Bezug auf die Familienplanung oder die Frage nach Gehaltsvorstellungen im Vorstellungsgespräch. Dr. Meike Wocken, Data Scientist und Standortleiterin der codecentric AG dazu: „Setzt in punkto Gehaltvorstellungen bloß nicht zu niedrig an. Baut einen Puffer für Verhandlungsspielraum ein. Es ist schwierig, von einer gewissen Einstufung später mehr rauszuhandeln. Googelt vorab, welches Gehalt in eurer Branche gängig ist.“ Den Aspekt zur Familienplanung hielt sie klar und kurz: „Das muss längst kein Frauenthema mehr sein. Nehmt eure Partner von vorneherein in die Pflicht. Betrachtet Kinder oder den Wunsch danach bitte als das was es ist – ganz normal. Die Unternehmen freuen sich über gute Leute und wissen Mütter und ihre Kompetenzen durchaus zu schätzen“, verrät Wocken. Christine Korn pflichtete ihr direkt bei: „Sprecht Familie, ob vorhanden oder angedacht, selbstbewusst an. Wir haben momentan einen Arbeitnehmermarkt. Seid authentisch. Ihr prüft genauso - wie umgekehrt - ob das Unternehmen zu euch passen könnte. Die Unternehmen bewerben sich auch bei euch, vergesst das nicht!“

Beim abschließenden Resümee waren sich die Referentinnen einig: Ein Bewerbungsgespräch ist keine Einbahnstraße. (th)