05.12.2022

Internationalization@home am Beispiel einer Gastprofessur

Prof. Dr. Alixandre Santana hat die vergangenen beiden Semester als Gastprofessor am Campus Gütersloh verbracht.

In ihrem Bestreben, die Internationalisierung in das Selbstverständnis und tägliche Geschehen der Hochschule einfließen zu lassen, hat es sich die FH Bielefeld zum Ziel gesetzt, allen Studierenden internationale und interkulturelle Erfahrungen zu ermöglichen. Eine Maßnahme zur Umsetzung ist der Einsatz von Gastdozent*innen.

In der Strategie Internationales steht es schwarz auf weiß: Bis 2030 sollen mehr als 20 Gastdozent*innen pro Jahr an die FH kommen. Denn Gastdozenturen stellen ein überaus hilfreiches Instrument zur schrittweisen Internationalisierung an Hochschulen dar: Sie bringen in vielerlei Hinsicht eine internationale Perspektive in Lehre und Forschung ein, Berührungsängste können abgebaut werden. Zudem stärkt der Umgang mit Gästen aus aller Welt das Selbstverständnis als internationalisierte Hochschule.

So kam Dr. Alixandre Santana von der Universidade Federal do Agreste de Pernambuco (UFAPE) in Brasilien als Gastdozent an die FH Bielefeld – genaugenommen an den Campus Gütersloh, wo er im Wintersemester 2021/2022 und im Sommersemester 2022 Lehrveranstaltungen zu den Themen Geschäftsprozessmodellierung und IT-Systeme, Software Project Management, Structural Literature Review, Intercultural Communication sowie Product Development & Requirement Engineering anbot. Gefördert wurde die Dozentur durch das Programm „Förderung ausländischer Gastdozenten zu Lehrtätigkeiten an deutschen Hochschulen“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD).

Doch wie kommt eine Gastprofessur überhaupt zustande und was sollte beachtet werden?

Konkret an diesem Beispiel kam der Kontakt zu Alixandre Santana durch Professorin Mariam Dopslaf zustande, die die Initiative ergriff und den umfangreichen Antrag stellte. Beide kennen sich seit ihrer Promotionszeit in 2015 und einem Portugiesisch-Deutsch-Sprachtandem an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, welches sie seitdem kontinuierlich weitergeführt hatten. Dopslaf, die am Campus Gütersloh das Lehrgebiet Technisches Dienstleistungsmanagement innehat, ist zudem an ihrem Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik Beauftragte für Internationales. Als Antragstellerin beim DAAD und somit projektverantwortliche Professorin organisierte sie die komplette Einbindung des Gastdozenten in den Lehrbetrieb und kommunizierte mit Studiengangsleitungen, Stundenplanerin, Studierendenservice und Studierenden.

Eine DAAD-Gastprofessur birgt viele Herausforderungen, weiß Mariam Dopslaf zu berichten: „Die gemeinsame Antragsstellung mit dem zukünftigen Gastdozenten ist komplex, da alle Dokumente und Vorlagen nur in deutscher Sprache verfügbar sind.“ Die Vorbereitung der Einreise nach Deutschland kann je nach Herkunftsland hinsichtlich der Beantragung eines Arbeitsvisums und der Abklärung von Renten- und Krankenversicherung schwierig sein. Es muss eine Wohnung gefunden und eine Anmeldung beim zuständigen Bürgeramt vorgenommen werden. „Schlussendlich sollte man die Eingewöhnungsphase an die deutsche Kultur und Kommunikation inner- und außerhalb der Hochschule nicht vergessen.“

Die Professorin hatte sich zunächst mit Kolleg*innen in anderen Fachbereichen ausgetauscht, die bereits erfolgreich Gastdozent*innen einladen konnten, beispielsweise am Fachbereich Sozialwesen. Denn am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik war Alixandre Santana der erste DAAD-Gastdozent. Außerdem haben die Ansprechpartner*innen beim DAAD sie unterstützt.

Für internationale Erfahrungen müssen Studierende nicht ins Ausland reisen

Am Campus Gütersloh profitierten besonders die Studierenden der praxisintegrierten Studiengänge vom Angebot des Gastdozenten, da sie aufgrund des durchgetakteten Studiums mit Wechsel zwischen Hochschule und Unternehmen einen Auslandsaufenthalt nur schwer in ihrem Studium unterbringen können. „Hier greift das Prinzip 'Internationalization@home' und die Studierenden können neben dem Angebot englischsprachiger Lehrveranstaltungen auch kulturelle Besonderheiten unter anderem in der Art der Lehre durch den Gastdozenten erfahren“, resümiert Dopslaf.

So hat Santana Lehrveranstaltungen in englischer Sprache gehalten, die das Zusammenwirken von IT, Gesellschaft und Wirtschaft im Fokus haben und somit das bereits bestehende Lehrangebot, welches sich überwiegend auf technische Aspekte fokussiert, optimal ergänzen. Die Lehrveranstaltungen führte er hybrid mit Studierenden der FH Bielefeld und virtuell zugeschalteten internationalen Studierenden durch.

Über die neuen Inhalte hinaus wurden den Studierenden kulturelle Unterschiede zwischen dem eigenen Studienland und dem Land des Gastdozenten aufgezeigt. Interkulturelle Erfahrungen wurden auch über die digitale Zusammenarbeit der Studierenden ermöglicht. Santana wirkte zudem am Programm 'Study On, Ukraine!' mit und nahm Studierende aus der Ukraine in seine Lehrveranstaltungen auf. Der Brasilianer selbst war im Übrigen besonders dankbar für den Deutsch-Einzelunterricht, den das International Office ihm von Beginn an ermöglicht hat.

Was ist bei der Integration in den Fachbereich zu beachten?

 

Alixandre Santana nahm bereits 2019 und 2021 an der International Week teil und konnte so einen ersten Einblick in die Hochschule gewinnen. Mit seinem offiziellen Start als Gastdozent nahm er regelmäßig an Team-Meetings des Campus Gütersloh teil und wurde zu Beginn seiner Tätigkeit allen Lehrenden und Mitarbeiter*innen per Zoom vorgestellt. Er nutzte den kollegialen Austausch und vernetzte sich über Fachbereiche hinweg innerhalb der Hochschule. Dabei kam ihm der Kontakt zum Center for Entrepreneurship (CfE) zugute, mit dem er Lehrveranstaltungen und extracurriculare Workshops entwickelt, organisiert und umgesetzt hat.

Vernetzung international

Neben der Integration innerhalb der Hochschule nahm Alixandre Santana an verschiedenen Tagungen und Network-Events, beispielsweise dem Brasilien-Tag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Bonn oder dem Enterprise Architecture Practitioners Summit in London, teil. Die Präsenz bei solchen Veranstaltungen ist als öffentlichkeitswirksame Maßnahme außerhalb der Hochschule anzusehen, um Verknüpfungen der FH Bielefeld zu Institutionen in Deutschland und der Europäischen Union zu erreichen.

Vom Gastdozenten zur Professur in Bayern

Die Erfahrungen als Gastdozent an der FH Bielefeld waren für Alixandre Santanas Bewerbung um eine Professur in Deutschland sehr wertvoll: Zum Wintersemester 2022/2023 hat er an der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Regensburg die Professur für Wirtschaftsinformatik mit dem Schwerpunkt Enterprise Architecture angetreten. Santana: „Die Erfahrung an der FH Bielefeld war die perfekte Möglichkeit für den Einstiegsprozess in das deutsche Hochschulsystem und half mir, den Lehrbetrieb zu verstehen und mit der akademischen Kultur in Deutschland zurechtzukommen.“  In diesem Sinne werden auch an seiner neuen Hochschule in Deutschland weitere Kooperationen erwartet und gemeinsam geplant. (vku)