19.11.2015

„Die Dualität in der Hochschulausbildung muss gestärkt werden“

MBA-Studiengang Technische Betriebswirtschaft mit 1. Netzwerk-Treffen, 130 Gästen und zufriedenen Absolventinnen und Absolventen.

Bielefeld (fhb). "Es ist fatal zu glauben, dass eine 'abgeschlossene' Berufsausbildung ein Berufsleben lang trägt. Den Ansprüchen an das lebenslange Lernen gerecht zu werden, bedarf einer Dualität in der Bildung auf allen Ebenen. Eine Vernetzung und Kooperation zwischen allen Partner, die mit Lernen, Bildung, Aus- und Weiterbildung zu tun haben, kann als eine Antwort auf die kommenden Herausforderungen betrachtet werden." Prof. Dr. Jutta Rump, die Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen, bringt das auf den Punkt, was Arbeitsmarktexperten, Betriebswirte und Ingenieure gleichermaßen beschäftigt.  

Wie sieht die Arbeitswelt im Jahre 2030 aus, so Rumps Vortragstitel auf dem 1. Netzwerk-Treffen Technische Betriebswirtschaft am Freitag, dem 13. November, im Hörsaal D 3 im neuen FH-Gebäude auf dem Campus Bielefeld. Konkret: Welche Anforderungen stellt der Arbeitsmarkt an die Berufstätigen, die Arbeitgeber und die Hochschulen?

Drei Megatrends hat Rump ausgemacht, um "die Dynamik der Arbeitswelt, das große Thema unserer Zeit", beurteilen zu können: die demografischen Entwicklungen, die technisch-ökonomischen Entwicklungen und die gesellschaftliche Entwicklungen. Rump: "Eine Konsequenz der Megatrends für Unternehmen ist, dass Fachkräfte in der Arbeitswelt von morgen fehlen werden." Schon heute liege das Durchschnittsalter auf dem deutschen Arbeitsmarkt bei 47 Jahren, in fünfzehn Jahren sogar bei 54 Jahren. "An der Verlängerung der Lebensarbeitszeit, also dem späteren Eintritt in die Rente, werden wir nicht vorbeikommen", meint Rump. Der sinkende Anteil von Fachkräften und die steigenden Anforderungen an die Fachkräfte, das sind die Problemfelder für Unternehmen, die unter ständigem Qualitäts- und Kostendruck produzieren müssen. Rump fordert mehr Vollzeitbeschäftigung, denn "wir haben zu viele Hochqualifizierte, die in Teilzeit arbeiten und dem Markt nicht entsprechend zur Verfügung stehen". "Andererseits haben mehr und mehr Menschen den Wunsch je nach Lebenssituation die Arbeitszeit zu flexibilisieren und zu reduzieren", meint die Betriebswirtin. Ein Dilemma, offenkundig.

Den Unternehmen empfiehlt sie, über "flachere Organisationsstrukturen" im Personalbereich nachzudenken, Eigenverantwortung auf viele Schultern zu verteilen. An die Tarifpartner geht ihre Aufforderung, "die Entwicklung der bisher kollektiv geprägten Regelungen hin zu modular ausgerichteten Regelungen mit Mindeststandards" zu finden. Die alters- und alternsgerechte Arbeitszeitgestaltung und Arbeitsorganisation sei zu überdenken, die betriebliche Gesundheitsförderung müsse intensiviert werden. Rump: "Die großen Themen werden die kontinuierliche berufliche, alternsgerechte Qualifizierung, die Weiterbildung und die Nachwuchssicherung seien."

Wobei letztere schon im Kindergarten beginnt: "Verpflichtende Sprachsstandsfeststellung für alle Kinder im Alter von drei Jahren sowie vor der Einschulung, Verminderung von regionalen und sozialen Disparitäten durch eine Ausweitung des raum- und zeitunabhängigen Lernens, Stärkung der Stärken sowie Entdeckung und Förderung von Talenten." Sie plädiert für Ausbildungsbegleitende und unterstützende Maßnahmen für Jugendliche mit niedrigen Grundqualifikationen, für die Überarbeitung der Ausbildungsprofile vor dem Hintergrund der Digitalisierung und Industrie 4.0. Und für den tertiären Bildungsbereich soll gelten: "Die Dualität in der Hochschulausbildung muss gestärkt werden." Verbindung von Theorie und Praxis, Weiterqualifizierung an der Hochschule während des Berufslebens, darauf komme es an      

Eine argumentative Steilvorlage für die Ausrichter des 1. Netzwerk-Treffens vom Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit. Mit ihrem erfolgreichen weiterbildenden Masterstudiengang Technische Betriebswirtschaft (TBW) sprechen sie mit dieser Art von "Dualität" die Berufstätigen an. TBW-Studiengangsleiter Prof. Dr. Andreas Uphaus: "Die Verbindung von Betriebswirtschaftslehre mit Ingenieurswissen ist eine starke Kombination. Unser Konzept findet große Resonanz."  

Zum Sommersemester 2006 startete der Studiengang, 116 Studierende haben bislang mit dem MBA-Zeugnis abgeschlossen. Ziel des fünfsemestrigen Masterstudiengangs ist es, Studierenden mit Erfahrungen aus beruflicher Tätigkeit und Erststudium in Technik oder Naturwissenschaften betriebswirtschaftliche Kenntnisse zu vermitteln und die Fähigkeiten im strategischen und operativen Management sowie in der Mitarbeiterführung auszubauen.

Das Verbundstudium besteht zu rund zwei Dritteln aus Selbststudienabschnitten und einem Drittel aus Präsenzveranstaltungen. Exkursionen zum Beispiel die "Automotiv" nach München und die "Green Motion" nach Leipzig stehen ebenso auf dem Programm wie etwa dreitägige Wochenendseminare.

Wirtschafts-Dekan Prof. Dr. Uwe Rössler bedankte sich in seiner Begrüßung ausdrücklich bei Prof. Dr. Ralf Hörstmeier vom Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik für dessen Unterstützung bei der Rekrutierung von Studieninteressierten: "Sie sind ein guter Verkäufer, ihre Akquise ist ausgezeichnet." Hörstmeier, zugleich aktives Mitglied im Verein Deutscher Ingenieure (VDI) OWL, zeigte sich überzeugt davon, dass die Nachwuchsingenieure in Ostwestfalen "dank ihrer hervorragenden Ausbildung blendende Perspektiven vor Ort haben". "Mitmachen, vorne dabei sein, das sind wir Ingenieure, netzwerken ist ganz wichtig, davon kann man nur profitieren", so Hörstmeier zu den rund 130 Zuhörern des 1. Netzwerk-Treffens Technische Betriebswirtschaft.

Zur Veranstaltung gehörte auch eine gut halbstündige Podiumsdiskussion zum Thema "Arbeitswelt 2030" unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Herzig vom Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit. Ekkehard Härtel, Personalleiter bei Miele, und Dr. Eberhard Niggemann, Leiter der Weidmüller Akademie, sprachen sich unter anderem für mehr Flexibilität am Arbeitsplatz aus, um das Familien- mit das Berufsleben besser vereinbaren zu können. Beide sehen mit der fortschreitenden Internationalisierung der Unternehmen neue Anforderungen auf die Mitarbeiter zukommen, die neben sprachlicher auch interkulturelle Kompetenzen abverlangen. Und beide plädieren für mehr Interdisziplinarität schon während des Studiums.

Mit der Ehrung der aktuellen Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs Technische Betriebswirtschaft war der offizielle Teil des Programms beendet. Anschließend wurde bei Buffet und Musik bis in den späten Abend intensives "Networking" betrieben. Wie hatte Dekan Rössler doch eingangs der Veranstaltung treffend festgehalten: "Ich kündige jetzt einfach mal eine Serie von Netzwerk-Veranstaltungen an." Seine Kollegen haben sicherlich gut hingehört.