31.10.2014

Nutzerorientiert planen und bauen

Das 4. Symposium Intelligente Gebäudetechnologien fand am 30. Oktober auf dem Campus Minden statt.

Minden (fhb). Seit vier Jahren beschäftigen sich Professoren und Mitarbeiter auf dem Campus Minden der Fachhochschule (FH) Bielefeld mit Intelligenten Gebäudetechnologien und haben diese zu einem fachlichen Schwerpunkt am Hochschulstandort Minden gemacht. "Intelligente Gebäudetechnologien sind ein ideales Thema für den Campus, weil wir hier den perfekten Fächermix vor Ort haben von Architektur und Bauingenieurwesen über Elektrotechnik und Informatik bis hin zur Pflege", begrüßte Professor Dr. Oliver Wetter die 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Wetter ist Professor für Elektrotechnik und 1. Vorsitzender des Vereins InteG e.V., der das Symposium ausrichtet.

Aus dem perfekten Fächermix hat sich inzwischen der interdisziplinäre Forschungsschwerpunkt "InteG-F: Intelligente Gebäudetechnologien unter einem Dach" entwickelt, in dem eben jene Informatiker, Architekten, Bauingenieure, Elektrotechniker, Pflegewissenschaftler und auch Wirtschaftspsychologen interdisziplinär verschiedene Fragestellungen bearbeiten. Vor einem Jahr, genau einen Tag nach dem 3. Symposium, erhielten die Mindener Forscher für ihr Projekt grünes Licht vom Wissenschaftsministerium.

Es tut sich also einiges in der Forschung auf dem Campus, was Landrat Dr. Ralf Niermann in seinem Grußwort mit Freude kommentierte: "Sie haben die Chance, das Thema Intelligente Gebäudetechnologien hier am starken Wirtschaftsstandort Minden-Lübbecke zu besetzen, am Schopfe gepackt." Der Mühlenkreis ist eins von acht Mitgliedern  im InteG e.V.. Zu den Mitgliedern zählen unter anderem auch die FH Bielefeld, die Handwerkskammer OWL und Energieimpuls OWL. Klaus Meyer von Energieimpuls OWL hat als Netzwerker "die Köpfe zusammengeführt, als vor vier Jahren das Wissenschaftsministerium auf mich zukam, mit der Bitte, Forschungsimpulse zu Intelligenten Gebäudetechnologien anzustoßen", erinnert sich Meyer, der auch das Regionale Innovationsnetzwerk Intelligente Gebäudetechnologien Ostwestfalen-Lippe vertritt. Lena Strothmann, Präsidentin der Handwerkskammer OWL, berichtete in ihrem Grußwort vom Kompetenzzentrum für Intelligente Gebäudetechnologien, das im neuen Kammer-Gebäude in Bielefeld entsteht: "Darin sollen die Handwerksunternehmen gewerkeübergreifend geschult werden", so Strothmann. Dass eine integrale Planung von Beginn an auch auf dem Campus Minden funktioniert, zeigt der dortige Neubau, wie FH-Vizepräsident Professor Dr. Friedrich Biegler-König berichtet: "Die Intelligente Gebäudetechnologie wurde von Beginn an in das Gebäude eingeplant unter Einbindung der künftigen Nutzer." Zudem sei das neue Gebäude selbst Forschungsobjekt.

Experten des Forschungsschwerpunktes InteG-F waren an einem von vier "Thementischen" vertreten, an denen die Tagungsteilnehmer mit ihnen diskutieren konnten. Schließlich sollte die ganze Veranstaltung möglichst interaktiv sein. An den anderen Tischen standen Experten weiterer Forschungsprojekte des Campus, der Handwerkskammer und aus dem Regionalen Innovations Netzwerk Intelligente Gebäudetechnologien OWL Rede und Antwort. Moderiert wurden die Diskussionsrunden von Studierenden. Das Konzept ging auf, denn die Diskussionen an allen Tischen waren lebhaft.

So wurde beim Thema "Wohlergehen und Akzeptanz im intelligenten Gebäude" immer wieder deutlich, dass die Nutzer so früh wie möglich in die Planungen eingebunden werden müssen und dass eine Art Gebrauchsanweisung benötigt wird. "Wie das Serviceheft beim Auto", wie ein Teilnehmer vorschlug. An einer App, die genau diesen Zweck erfüllen soll, arbeiten der Architekt Professor Dr. Ulrich Schramm und der Informatiker Jan Budke. Auch Skepsis gegenüber der Datensicherheit und Angst vor Verlust der Selbstbestimmung im Gebäude wurden geäußert, was bestätigt, wie sensibel die Frage nach der Akzeptanz der neuen Technologien ist. Grundsätzlich müsse man sich aber immer vor Augen halten, dass es nicht darum gehe "mit seinem iPhone die Kaffeemaschine zu bedienen", was ein Teilnehmer beispielhaft als Klischee für Intelligente Gebäude oder Smart Home nannte. "So etwas braucht keiner. Aber wenn es um Sicherheit geht und eine Brandmeldeanlage bei einem Alarm mit der Steuerung der Jalousien kommuniziert und dafür sorgt, dass sich imj Brandfall alle Jalousien automatisch öffnen, wird das niemand für Unsinn halten", so ein Beitrag aus dem Auditorium. Dass aber genau diese Schnittstellen noch nicht durch entsprechende Normen definiert seien, zeigte sich in der Diskussion zum Thema Brandschutz. Der Stahlbetonbauprofessor Dr. Uwe Weitkemper und der Informatikprofessor Dr. Martin Hoffmann erforschen, wie man die baulichen Anforderungen mit der Informationstechnik in Bestandsbauten zusammenbringen kann.
Beim Teilprojekt zur Optimierung von Erdwärmesonden arbeitet der Geotechniker Professor Dr. Hans-Georg Gülzow mit einem Strömungsmechaniker und einem Regelungstechniker zusammen. In einem Feldversuch auf dem Campus wollen sie herausfinden, wie sich die Sonden effizient dämmen lassen.

Auch bei den Handwerksunternehmen wird noch Schulungsbedarf in puncto Aufklärung und Beratung der Nutzer und bei der integralen, also gewerkeübergreifenden, Planung und Ausführung gesehen. Während bei der Planung größerer Zweckbauten in der Regel ein Fachplaner beteiligt ist, sei beim Umbau einer privaten Wohnung meist ein Handwerksbetrieb der erste Ansprechpartner. Zwar sei die Beratung in die Prüfungsordnung der Meister mit aufgenommen worden und die "jungen Meister" hätten sogar häufig zwei Ausbildungen. Doch bereits etablierte Betriebe hätten noch Nachholbedarf.

Mit der Frage, wie man Gebäudetechnik in einer alternden Gesellschaft sinnvoll einsetzen kann, befasst sich Professorin Dr. Irene Müller. "Der typische Single ist über 80,  weiblich und lebt alleine", so Müller. "Sicherheit spielt für ältere Menschen eine große Rolle, da gibt es sinnvolle technische Unterstützung. Aber noch wichtiger ist eigentlich die soziale Anbindung. Es gibt viele interessante Beispiele für sozial vernetzte Quartiere und Wohnmodelle, die auch in Minden umzusetzen wären", so Müller. An ihrem Thementisch ging es außerdem um Photovoltaik, vorgestellt von Professor Dr. Frank Hamelmann, und um integrale Planung in öffentlichen Bauten am Beispiel des Neubaus auf dem Campus Minden, vorgestellt von Professor Dr. Oliver Wetter und Stefan Fleth vom Dezernat Gebäudemanagement der FH Bielefeld.

Nach den Thementischen kamen alle Teilnehmer noch einmal im Audimax zusammen, wo Dr. Felix Meckmann vom Sachverständigenbüro meckmannlpartner über den Nutzen, Aufwand und Mehraufwand des nachhaltigen Planens und Bauens referierte. "Der Energieausweis wurde anfangs oft belächelt. Inzwischen ist es aber so, dass manche Käufer keine Finanzierung mehr bekommen für Wohnhäuser, weil der Energieausweis so schlecht aussieht und einen Sanierungsstau aufzeigt. Nachhaltigkeitszertifikate sind deshalb wichtig für die Wertsteigerung von Immobilien."

Abschließend wurde Klaus Meyer von Moderatorin Kerstin Helmerdig um eine Zusammenfassung gebeten. Meyer: "Es ist schwer zusammenzufassen, was heute alles diskutiert wurde, weil es so vielseitig war. Aber ich denke, wir lernen von Symposium zu Symposium dazu, vor allem in der Zeit dazwischen."

So darf man wohl gespannt sein, wie sich die einstige "Keimzelle" bis zum nächsten Symposium 2015 weiterentwickeln wird.

 

Zur Website des Vereins InteG e.V.:
www.integ-owl.de