12.06.2015

Textiles, Solarzellen und Nachhaltigkeit

Neue Professoren des Fachbereiches Ingenieurwissenschaften und Mathematik stellen sich vor.

Bielefeld /Gütersloh (fhb). Jedes Semester stellen sich neue Professoren am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der Fachhochschule (FH) Bielefeld den neuen Kolleginnen und Kollegen im Rahmen einer Antrittsvorlesung vor - das ist Tradition. Am Montag, 8. Juni,  waren Prof. Dr. Dr. Andrea Ehrmann und Prof. Dr. Thomas Westerwalbesloh am Standort Wilhelm-Bertelsmann-Straße an der Reihe. Am 12. Juni folgte Professor Dr. Pascal Reusch am Studienort Gütersloh.

Ehrmann ist seit März zuständig für die Lehrgebiete Physik und Messtechnik. Sie sprach über die physikalischen Eigenschaften von Textilien.  Doch zunächst musste erst einmal geklärt werden, was Textilien überhaupt sind. Hierzu stelle Ehrmann die textile Kette vor, die "von der Faser über das Garn zur Flächenerzeugung, wie stricken oder weben,  und weiter zur Veredelung , zum Beispiel Imprägnierung, bis hin zu Design und Konfektion führt", so Ehrmann. Dabei würden Textilien aber nicht nur als Kleidung Verwendung finden, auch in der Landwirtschaft, im Auto, in der Baubranche, bei Verpackungen und noch vielem mehr würden sie eingesetzt. "Es gibt eigentlich fast überall Textilien", sagte Ehrmann.

Anschließend stelle sie verschiedene Messungen und Normen im Zusammenhang mit Textilien, wie die Zugfestigkeit oder die Entzündbarkeit, vor. Dabei müsse aber bedacht werden, dass auf Textilien nicht alle gängigen Messverfahren für feste Stoffe, wie etwa Metall, anwendbar sind. "Teilweise braucht es da ein wenig Phantasie, um sich neue Messarten auszudenken", so Ehrmann. Hinzu käme, dass man die physikalischen Eigenschaften auch verändern könne, wie etwa bei nicht entflammbaren Stoffen.

In ihren aktuellen Forschungsprojekten untersucht Ehrmann die Schädigung von Lichtleitern beim Weben, und wie die Einkopplung von Laserlicht in die Lichtleiter optimiert werden kann. Außerdem arbeitet sie an einem Verfahren zum haltbaren Verkleben von LEDs mit Textilien, die anschließend sogar die Waschmaschine überdauern sollen. Auch auf dem Gebiert der Faltungen und hinsichtlich textilbasierter Farbstoff-Solarzellen forscht Ehrmann. 

Als zweiter stellte sich der neue Professor für Mess- und Sensortechnik, Dr. Thomas Westerwalbesloh, vor. Er berichtete über Mess- und Prüfsysteme in der Photovoltaik. Dabei sei das entscheidende Merkmal einer Solarzelle die Leistung beziehungsweise deren Wirkungsgrad. Um Solarzellen zu testen, gäbe es viele unterschiedliche Messtechniken, wie die Schichtanalystik, den Sonnensimulator oder eine Infrarotkamera.

Eingehender stellte Westerwalbesloh den Flasher vor. Dieser wird zur Leistungsmessung  von Solarzellen verwendet. Hierzu wird ein kurzer Lichtimpuls, ein zehn Millisekunden-Blitz mit 1000 Watt pro Quadratmeter, auf die Zelle geworfen. Dies ist so hell wie Sonnenschein. Dann wird der Strom gemessen, den das Modul liefert. "Das Problem ist, dass das Sonnenlicht tatsächlich genormt ist und der Xenon-Blitz des Flashers diesem nicht genau entspricht", sagte Westerwalbesloh.  In seiner ehemaligen Firma habe man deshalb zur Verbesserung zusätzlich Halogenscheinwerfer eingebaut. Allerdings gab es anschließend eine starke Hitzeentwicklung im Gerät. "Die Idee war einfach, jedoch die Umsetzung schwierig", so Westerwalbesloh.

 

 

Am Freitag, 12. Juni, folgte Prof. Dr. Pascal Reusch am Studienort Gütersloh der FH Bielefeld. Reusch hat die Stifungsprofessur für Produktionswirtschaft und Industriebetriebslehre seit Januar inne. Diese wird von der Stadt Gütersloh, dem Kreis Gütersloh sowie der Stiftung der Kreissparkasse Wiedenbrück finanziert. Neben seiner Lehrtätigkeit ist Reusch auch als "Beauftragter des Fachbereichs Ingenieurwissenschaften und Mathematik", zusammen mit dem Dekan Professor Dr. Lothar Budde, für die Außenvertretung des Studienorts Gütersloh zuständig.

Reusch sprach über Nachhaltigkeitsaspekte globaler Wertschöpfungsketten. "Eigentlich müssten wir zur Definition von Nachhaltigkeit zunächst über Ethik und Moral sprechen, doch das würde wohl den Rahmen sprengen", sagte Reusch. Zwar sei Nachhaltigkeit heutzutage in aller Munde, dabei wurde der Begriff schon Anfang des 18. Jahrhunderts in einem Buch von Hans Carl von Carlowitz über die Forstwirtschaft eingeführt.  Damals habe es, so Reusch, nur die ökonomische und die ökologische Nachhaltigkeit gegeben, heute sei es stattdessen mit der sozialen Nachhaltigkeit ein Drei-Säulen-Modell. Als Beispiele für fehlende Nachhaltigkeit nannte Reusch die Weltwirtschaftskrise 2007, den Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch 2013 und die Massentierhaltung, die die Ökologie ganzer Landstriche zerstöre. "Eine Fokussierung auf den wirtschaftlichen Wert bringt die Welt ins Ungleichgewicht und geht auf Kosten der gesellschaftlichen Werte", fasste Reusch zusammen.

Anschließend ging Prof. Dr. Pascal Reusch auf Wertschöpfungsketten ein. Grundsätzlich gelte, dass der freiwillige Austausch von Gütern und Dienstleistungen einen Wert für beide Parteien generiere. "Allerdings beruht der freiwillige Austausch darauf, dass zwei Personen unterschiedliche Wertevorstellungen bezüglich des Tauschobjekts haben", betonte Reusch. Denn ein Wert sei subjektiv, was Reusch an einem Liter Wasser verdeutlichte: Ein Liter Leitungswasser, eine Flasche aus dem Supermarkt, eine Flasche im noblen Restaurant oder der letzte rettende Liter Wasser in der Wüste ­- der Gegenstand sei immer gleich, der Wert jedoch nicht.    

In Bezug auf die Nachhaltigkeit beim Wasser verdeutlichte Reusch den Verbrauch jeder Person pro Tag. Dieser liege bei etwa 130 Litern. Berechnet man allerdings noch den Wasserverbrauch der Herstellung jener Produkte mit ein, die man konsumiert oder benutze, komme jeder auf 4.000 Liter pro Tag. Denn schon eine Mandel benötige allein vier Liter bevor sie verzehrt werden könne, ein ganzes Glas Mandeln also eine Badewanne voll Wasser.

Abschließend betonte Prof. Dr. Pascal Reusch, dass man aber auch nachhaltig handeln und gleichzeitig einen ökologischen Nutzen daraus ziehen könne. Dies verdeutliche das Beispiel der Wasserknappheit in Kalifornien: "Die Bauern, die bereits mit der Trockenheit dort gerechnet haben und dementsprechend passende Pflanzen angebaut haben, stehen heute besser da als jene, die das nicht eingeplant haben", so Reusch. Insgesamt hoffe er, dass öffentlich über diese Themen in Zukunft mehr diskutiert werde und auch die Zuhörerinnen und Zuhörer noch das ein oder andere Mal  - besonders im Supermarkt -  an seine Antrittsvorlesung zurückdenken werden.

Zum Abschluss übergab Dekan Prof. Dr. Lothar Budde allen Neuberufenen ein Präsent und betonte: "Wir freuen uns, dass wir sie für den Fachbereich gewinnen konnten."