17.03.2016

Die Bibel als Lesevergnügen

Die Bielefelder Bibel der FH-Gestalter ist die gelungene Symbiose von Exegese und typografischer Aufbereitung.

Bielefeld (fhb). Der Unterschied zur bekannten Version, die in der Kirche ausliegt oder im heimischen Bücherregal steht, ist offenkundig: Die jetzt erschienene Bielefelder Bibel ist keine „Bleiwüste“ auf eng bedruckten Doppelseiten, die das Auge ermüden lässt. Die Bielefelder Bibel erfreut vielmehr mit einer neuen Gestalt des Textes, die die Sprachgewalt der Bibel auch durch typografische Mittel zum Vorschein bringt: die Bibel als Lesevergnügen.

Der Verlag Herder hatte Bibelwissenschaft und Gestaltung an einen Tisch gebracht. Im Jahre 2009 begann die Kooperation zwischen Prof. Dirk Fütterer, verantwortlich für das Lehrgebiet Typografie am Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Bielefeld, und Dr. Melanie Peetz, Professorin (damals Dozentin) für Einleitung in die Heilige Schrift und Exegese des Alten Testaments an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Die beiden sind Projektleiter und Herausgeber zugleich und der Überzeugung: Die Bibelwissenschaft braucht die praktische Fachkompetenz der Gestalter, um ihre wissenschaftlichen und theoretischen Erkenntnisse über die Textstruktur und die verschiedenen Textsorten endlich in ausdrucksstarke Typografie und Form umzusetzen.

Die Gestalter wiederum brauchen die bibelwissenschaftliche Fundierung, um Gestaltungselemente zu finden, die dem Text und seiner Eigenart gerecht werden und die zugleich dazu geeignet sind, Leserinnen und Lesern die Anmut und Tonalität des Textes zu vermitteln. Type Designer Martin Majoor aus dem niederländischen Arnheim hat mit der FF Nexus “eine Schriftsippe vorgelegt, die die Ausdruckskraft der Bielefelder Bibel maßgeblich mitbestimmt“, so Fütterer.

Die Bielefelder Bibel basiert auf der Textübersetzung der Herderbibel, „sie ist eine konfessionell nicht gebundene Bibelübersetzung“, sagt Peetz. Insgesamt haben sich seit 2010 mehr als 60 Gestalterinnen und Gestalter der FH Bielefeld am Projekt beteiligt. Sie haben es ermöglicht, den einzelnen Büchern und Schriften eine individuelle „Handschrift“ zu verleihen und dazu beigetragen, die Vielfalt der Bibel zu betonen. Fütterer: „Ich war überrascht, dass sich so viele Studierende am Projekt beteiligt haben, denn die Möglichkeiten, sich hier kreativ ausleben zu können, schienen erst einmal eingeschränkt.“ Arne Vogt, einer der jungen Gestalter: „Es hat Spaß gemacht, ein so großes religiöses wie historisches Projekt anzugehen und den Anspruch zu erfüllen, Lesefreude zu wecken.“  

Die Bielefelder Bibel besticht durch eine für heutige Bibelausgaben ungewöhnliche und individuelle Gestaltung: Lieder sind als Lieder erkennbar, Gesetzestexte als Gesetzestexte, Briefe als Briefe, Erzählungen als Erzählungen. Melanie Peetz: „Plötzlich wirkt die Bibel nicht mehr monoton wie ein Telefonbuch. Vielmehr lässt sie dank ihrer großzügigen Gestaltung die wissenschaftlich fundierte Struktur und damit die literarische Vielfalt und Schönheit der antiken Texte vor jedermanns Augen treten. Die Bielefelder Bibel presst nicht so viel Text wie möglich auf eine Seite, sondern hebt mit Weißraum, Initialen und anderen textgestalterischen Elementen den literarischen Charakter und die Emotionalität biblischer Texte hervor. Das macht Freude am Lesen und erleichtert den Zugang zur Bibel.“ Peetz empfiehlt deshalb: „Sie ist genauso geeignet für Bibellesereinsteiger etwa vor der Firmung oder der Konfirmation wie auch für Leser, die sich in der Bibel bereits auskennen und ein neues, emotionaleres Leseerlebnis bekannter Texte erfahren wollen.“

Die Bielefeld-Ausgabe fasst auf 688 Seiten eine Auswahl von 21 der insgesamt 73 Bücher und Schriften der Bibel zusammen. Damit habe man, so Fütterer, „jedoch keine Best-of-Ausgabe“ verlegen wollen. Vielmehr soll der Einstieg  in „das Buch der Bücher“ erleichtert werden mit Bekanntem, etwa die Genesis oder die Offenbarung, und vermeintlich weniger Bekanntem, wie das Buch Ijob oder die Jona-Erzählung.

Peetz und Fütterer hoffen, ihre Bibelbearbeitung bald als Fünfbänder fortsetzen zu können, entsprechend der klassischen Einteilung Tora, Geschichtsbücher, Weisheitsliteratur, prophetische Literatur und Neues Testament. Die Bände, ihr Cover und Layout, sollen aufeinander abgestimmt sein und in einem Schuber präsentiert werden, „um die Einheit der Bibel auch optisch und von außen zu visualisieren“, meint Peetz.

Die Bielefelder Bibel ist seit kurzem im Buchhandel erhältlich und „wird gut nachgefragt“, wie Master-Student Fabian Bremser vom Fachbereich Gestaltung zufrieden feststellen kann. Er kümmert sich als Projektmitarbeiter um die Öffentlichkeitsarbeit. Knapp 700 Bücher der mit 2.500 Exemplaren gestarteten Erst-Auflage sind für je 69 Euro bereits verkauft. Das „Buch der Bücher“ als Lesevergnügen: Es sollte sich weiter herumsprechen.

Mehr unter: www.bielefelder-bibel.de