09.06.2017

„Du hast eine Minute, hier ist ein Stift, bring etwas zu Papier"

Kunst-Professor Christoph Rust geht in den Ruhestand.

Bielefeld (fhb). „Die Malerei erlaubt es einem, im Alter noch besser zu werden“, beschreibt Professor Christoph Rust nachdenklich und zugleich humorvoll seine Lage: „Ein Sportler hingegen überschreitet seinen Zenit mit knapp dreißig Jahren. Ich habe jetzt Zeit.“ Viel Zeit, denn Rust wurde in den Ruhestand verabschiedet, von FH-Präsidentin Prof. Dr. Ingeborg Schramm-Wölk, die die Entlassungsurkunde überreichte und im Gegenzug ein handliches, reich bebildertes Büchlein mit dem Titel „AXATOL…oder die Möglichkeiten der Malerei“ erhielt.

2001 wurde Rust am Fachbereich Sozialwesen auf die Professur für Ästhetik und Kommunikation berufen. Im Studiengang „Soziale Arbeit“, später in der „Pädagogik der Kindheit“ ging es darum, in die Theorie und die Praxis künstlerischen Gestaltens einzuführen und pädagogische Konzepte und konkretes Anweisen den Studierenden nahezubringen. Rust: „Man kann trefflich darüber streiten, ob Kunst überhaupt studierbar ist. Festgestellt habe ich, bei allem Spaß an der Sache und im Umgang mit den Studierenden, dass es nicht immer einfach ist zu motivieren. Insbesondere die Kunst-Autodidakten können mit Kritik nicht gut umgehen.“ Und Kritikfähigkeit sei nun einmal eine Grundtugend im Kunstalltag.

Er selber, 1953 in Leipzig geboren, hat studiert. Zunächst Kunstwissenschaft und Archäologie an der Universität Marburg, dann an der Kunstakademie Münster bei Bernd Minnich und Prof. Ernst Hermanns, dessen Meisterschüler er wurde. Auslandsaufenthalte schlossen sich nach dem Studium an. Er erhielt ein Stipendium des Landes Niedersachsen, ging dann mit einem Lehrauftrag für Malerei an die Hochschule Hildesheim, wurde Referent für bildende Kunst der Stadt Langenhagen und gründete dort den Skulpturenpark. 1998 wurde ihm der Sonderpreis des Bildhauerwettbewerbs „Friedensräume – Friedensträume“ der Stadt Osnabrück zuerkannt – um nur einige Beispiele aus seinem umfangreichen Schaffen hervorzuheben.

Besonders stolz ist er auf sein 2010 in der Hochschulgalerie der FH Bielefeld ausgestelltes „Projekt 60 Sekunden“. Die Idee: "Was passiert, wenn man sagt, du hast eine Minute, hier ist ein Stift, bring etwas zu Papier." Rust damals anlässlich der Eröffnung: "Ein Stift läuft über das Papier und hinterlässt Erstaunliches. Schraffuren, Linien, Kreise bilden sich, aber auch phantastische Figuren entstehen an der Grenze des Bewusstseins." Diesem Potenzial, "auch als 'Telefonzeichnung' bekannt", nachzuspüren, sei das Ziel des Projekts: "Bei leichter Hand entstehen freie Notationen, Keime von Zeichen und Zeichnungen.“ Sein 60-Sekunden-Projekt hat er auf seinem Auslandsreisen vorgestellt, sogar in Hanoi sei man aufmerksam geworden.

Seinem Fachbereich sei er zu Dank verpflichtet. Die Einrichtung einer Kunst-Professur im Sozialwesen sei nicht selbstverständlich. Dass sie demnächst wiederbesetzt werde, sei „höchst erfreulich“. Er verweist auf „große, tolle Werkstätten am Fachbereich“ und die „Heterogenität, die uns auszeichnet: Ingenieure haben wir nicht, sonst aber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus beinahe allen Disziplinen“. „Die Atmosphäre stimmt“, insofern schwingt im Abschied auch ein klein wenig Wehmut mit.

Was ihm bleibt ist die Kunst: "Ein Leben ohne Kunst ist möglich, aber sinnlos", nimmt Rust heitere Anlehnung an den bekannten Loriot-Ausspruch, der im Original den Mops adressierte.

An anderer Stelle, „Über die Nazca-Suite von Christoph Rust“, hatte der Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Andreas Beaugrand einmal ernsthaft und trefflich formuliert: „Mit seiner Kunst leistet Christoph Rust handwerklichen Widerstand gegen die verwirrende virtuelle Schnellig- und Scheinbarkeit unserer Gegenwart und thematisiert auf neue Weise das Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart, Wirklichkeit und Wirklichkeitsempfindung, Nachahmung und Kunst.“

Direkt neben seinem Haus in Bad Nenndorf hat er sein Atelier eingerichtet. In zwei Jahren will er eine große Ausstellung in Salzgitter eröffnen. Sein aktuell großes Projekt: der Ankauf einer Airbrush-Pistole, mit der er künstlerisches Neuland betreten wird. Er hat jetzt viel Zeit, um noch besser zu werden.