15.11.2018

Evolution oder Revolution in der Finanzwelt

4. Investment-Forum der privaten Bankenvereinigung Bielefeld und der FH Bielefeld

Bielefeld (fhb). „Evolution oder Revolution in der Finanzwelt!?“ – unter diesem Motto stand am 15. November das 4. Bielefelder Investment-Forum an der Fachhochschule (FH) Bielefeld mit rund 120 Teilnehmenden, nämlich Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft und nicht zuletzt zahlreichen Studierenden. Vier Fachvorträge, intensive Diskussionen, Meinungsbildung. Die Veranstalter zeigten sich äußerst zufrieden mit der Resonanz. „Uns geht es darum, unsere Studierenden mit wertvollen Zusatzinformation aus der beruflichen Praxis vertraut zu machen und Antworten auf aktuelle Thema aus der Finanzwelt zu geben“, so Prof. Dr. Andreas Uphaus, Finanzwirtschaftsexperte der FH Bielefeld aus dem Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit und zugleich Mitveranstalter des alle zwei Jahre stattfindenden Investment-Forums. Partner ist die private Bankenvereinigung Bielefeld, deren Vorsitzender Frank Brüggemann (Commerzbank AG) zurückblickte: „Wir haben im November 2012 mit dem Investment-Forum ein Pilotprojekt gestartet, aus dem wir eine Veranstaltungsreihe entwickeln wollten. Das ist uns gelungen. Und wir werden diese Kooperation weiter pflegen.“

Der Praxisbezug zur Finanzwelt soll direkt erlebbar werden, über den Tellerrand des Studienalltags soll geschaut werden und dabei soll auf eine wissenschaftliche Herangehensweise an Wirtschaftsthemen geachtet werden, das sind die selbstgestellten Ansprüche ans Forum. Wobei die Bankenvereinigung zudem die Gelegenheit nutzt, die beruflichen Perspektiven in den Bankhäusern den Nachwuchsakademikern nahe zu bringen und zur Kontaktaufnahme einzuladen.

Jörg Schneider von der Commerzbank AG in Frankfurt sprach über „Robo-Advice: The one and only?“ und fokussierte dabei ein brisantes Thema: die digitale Beratungswelt, in der Roboter anstelle von Menschen mehr und mehr die Arbeit übernehmen. Global existiere bereits eine sehr hohe Anzahl von Robo-Advisorn mit einem stark steigenden Anlagevolumen. In Deutschland sei diese Entwicklung erst 2011 gestartet, sie habe noch ein überschaubares Volumen. Start-ups, Kapitalverwaltungsgesellschaften, Banken und Vermögensverwalter bieten neue Produkte mit unterschiedlichen Ausgestaltungen, zum Beispiel Minimum-Anlagevolumen zwischen 10 und 100.000 Euro. Robo-Advice sei somit eine weitere, zeitgemäße Lösung, die die Flexibilität der Anlagekunden erhöhe.

Professor Uphaus hatte seinen Beitrag überschrieben mit dem Titel „Macht und Ohnmacht im Zahlungsverkehr – wo bleiben die Kunden?“. Zahlungssysteme, so Uphaus, seien das operative Rückgrat der Finanzwirtschaft, die durch die Entwicklung neuer Technologien und den Markteintritt von FinTech-Unternehmen bunter geworden sei. Dadurch werden Zahlungen einfacher, schneller und günstiger. Unter anderem wollen auch Google, Apple, Amazon und Paypal mit ihren Pay-Systemen den deutschen Markt aufrollen. Banken setzen zunehmend auf Apps. Uphaus warnte vor möglichen negativen Auswirkungen auf die Bankenwelt und verwies insbesondere auf Risiken im Hinblick auf Kosten, Sicherheit und Transparenz für die Kunden. Die Zahlungswelt sei komplizierter geworden. Uphaus: „Wir sollten Zahlungsmöglichkeiten immer auch so gestalten, dass keiner abgehängt wird und jeder, auch gerade ältere Menschen, keine Einschränkungen im Alltag haben.“

Corinna Schreier, Expertin für disruptive Technologien bei der Deutschen Bank in Frankfurt, diskutierte in Ihrem Vortrag Blockchain als Zukunftstechnologie der Gegenwart und stellt dabei kritische Fragen bezüglich der „Blockchain-readiness“. Die Chancen und Risiken der Technologie wurden anhand der internationalen Güterhandelsplattform we.trade dargestellt. Mit Hilfe der Blockchain ermöglicht we.trade die digitale Abwicklung, Nachverfolgung und Absicherung von Handelsgeschäften im internationalen Güter- und Warenverkehr. Die Plattform verbindet nahtlos die unterschiedlichen Parteien eines Handelsgeschäfts online und über mobile Geräte, also Verkäufer, Käufer, die jeweiligen Banken der beiden Kaufvertragspartner sowie den Spediteur. Die Plattform steht Kunden der an we.trade beteiligten Banken in elf europäischen Ländern zur Verfügung.

Prof. Dr. Bodo von Rüden, seit 2003 Professor für Volkswirtschaftslehre an der FH Bielefeld, sprach über „Geschäftsbanken oder Notenbank – wer soll künftig unser Geld produzieren?“. Nur 14 Prozent unseres Geldes stamme, so der Referent, von der Notenbank, der EZB. Der Rest sei Buchgeld und werde von privaten, gewinnorientierten Banken durch Kreditgeschäfte „aus nichts“ produziert. Vor allem nach der Finanzkrise 2008 sei die Forderung nach sicherem „Vollgeld“ aufgekommen. Alles Geld soll danach zukünftig von der Notenbank emittiert werden. Professor von Rüden: „Ein solcher Übergang ist machbar, würde aber eventuell die Kreditvergabemöglichkeiten der Banken einschränken und den Zahlungsverkehr für die Kunden deutlich verteuern.“ Beim Pro und Contra liefe alles auf die Frage zu, ob eine zentrale Notenbank das Kreditvolumen wirklich besser und mit weniger Risiken steuern könne als dies die über 1.800 deutschen Geschäftsbanken dezentral hinbekommen.

Evolution oder Revolution: Das 4. Bielefelder Investment-Forum schloss nach dreieinhalb Stunden kurzweiliger Information und Diskussion mit einem „Sowohl-als-auch“. Und der Erkenntnis, dass die Finanzwelt deutlich in Bewegung ist und auch hier, wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen, die fortschreitende Digitalisierung Chancen und Risiken zugleich bedeute.