14.05.2018

„Eine einmalige Erfahrung“

Melanie Schlüter als erste Austauschstudentin der FH Bielefeld in Shanghai.

Zur „International Week“ an der FH Bielefeld berichtet die Wirtschaftsingenieur-Studentin über ihren Aufenthalt an der Shanghai Normal University.

Erstmals hatte eine Studentin der Fachhochschule (FH) Bielefeld die Möglichkeit, einen Auslandsaufenthalt in Shanghai, China, zu absolvieren. Melanie Schlüter, Studentin im 6. Semester Wirtschaftsingenieurwesen im Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik (IuM), verbrachte in der vorlesungsfreien Zeit im März 2018 fünf Wochen an der Shanghai Normal University.

Eine Kooperation mit der Shanghai Normal University besteht schon seit einigen Jahren: Professoren aus dem Fachbereich IuM haben dort schon mehrmals Lehrveranstaltungen im Studiengang Fahrzeugtechnik angeboten. Da die Universität ihren Fokus auf deutsch-chinesische Veranstaltungen gerichtet hat, ist es sowohl für die FH Bielefeld als auch für die chinesische Universität eine Win-Win Situation.

Um die Kooperation weiter auszubauen, hat die FH Bielefeld den Studentenaustausch ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die deutschen und die chinesischen Studierenden miteinander vertraut zu machen und vom jeweils anderen zu lernen, da viele der chinesischen Studierenden einen Auslandsaufenthalt in Deutschland planen. „Für mich war es natürlich sehr interessant, die chinesische Kultur kennenzulernen und in deren Lebensweise einzutauchen“, resümiert Melanie Schlüter. Denn das studentische Leben in China unterscheidet sich in einigen Aspekten stark von dem in Deutschland, wie sie festgestellt hat: „Chinesische Studierende haben eine deutlich höhere Stundenbelastung pro Woche, die bei etwa 30-35 Stunden liegt. Ein weiterer Unterschied ist der häufig stattfindende Blockunterricht. Aber auch der Campus unterscheidet sich. In Shanghai studieren und leben alle Studierenden auf dem Campus, der wie eine kleine Stadt fungiert. Da gibt es Supermärkte, Friseure und Blumenläden“, berichtet Schlüter. Auch das Angebot in den zahlreichen Mensen sei vielfältig: „Nachdem ich gesehen habe, wie groß die Auswahl ist, war mir klar, dass ich während meines Aufenthalts gar nicht die Chance habe, alles zu probieren“, so Melanie Schlüter.

Generell sei der Campus sehr gut ausgestattet, doch es gab auch einige Widrigkeiten: „Die Seminarräume sind medial sehr hochwertig ausgestattet, haben aber keine Heizung. So sitzen die Studierenden im Winter bei Minusgraden mit Mantel und Schal im Klassenraum. Zwar war es im März nicht mehr so kalt wie im Winter, aber man muss sich schon dran gewöhnen, bei zehn Grad in einem Seminarraum oder Hörsaal zu sitzen“, erinnert sich Melanie Schlüter.

Trotz der erschwerten Bedingungen erlebte sie die Chinesen sehr diszipliniert, die auch ohne Anwesenheitspflicht immer ihre Lehrveranstaltungen besuchten. „Sie sind sehr still während der Lehrveranstaltung, folgen dem Professor und versuchen so viel wie möglich mitzunehmen. In den Pausen wurde es aber laut. In den ersten Pausen wurde um mich herum getuschelt, bis sich eine Studentin getraut hat, mich nach meiner Handynummer zu fragen. Eine andere fragte, ob sie ein Foto mit mir machen dürfe. Nach der ersten Überwindung waren die Chinesen sehr nett, hilfsbereit und aufgeschlossen. Sie haben mich zum Essen eingeladen, wir haben Tee getrunken oder sind gemeinsam ins Kino gefahren.“

Die chinesischen Studenten sind auf dem Campus in Viererzimmern untergebracht. Die internationalen Studenten haben das Privileg, in Zweierzimmern zu wohnen. So teilte sich Melanie Schlüter mit einer Mongolin ein Zimmer. „Da man für Strom in den Zimmern bezahlen muss, ist es üblich, den Warmwasserboiler nur alle zwei Tage zum Duschen anzuschalten. Auch die Klimaanlage wurde nur maximal einmal am Tag benutzt, was bei zehn Grad Außentemperatur am Anfang eine große Umgewöhnung für mich war. Doch man stellt sich schnell auf die neuen Gegebenheiten ein, sodass es schon nach einigen Tagen völlig normal für mich war.“

Ein besonderer Höhepunkt ihres Aufenthaltes sei gewesen, dass sie für die chinesischen Studenten einen Workshop angeboten hat, bei dem kleine Solarautos gebaut wurden. Neun chinesische Studenten haben daran teilgenommen, die Materialien hatte sie aus dem Bielefelder Schülerlabor mitgebracht. „Da ich seit dem zweiten Semester den seminaristischen Unterricht von Professor Feyerabend unterstütze, habe ich mir zugetraut, in einer kleinen Runde die Solarautos zu bauen.“ Die Chinesen waren begeistert über das Angebot, weil es über die theoretischen Lehrveranstaltungen hinausging. „Die in Deutschland üblichen Praxisbezüge fehlen in China, sie kennen vor allem Frontalunterricht, weshalb der Workshop gut angenommen wurde“, so Schlüter. Zudem war es eine Chance, zwanglos die Sprachkenntnisse zu verbessern und offene Fragen über die jeweilig andere Kultur zu stellen. Am Ende wurde ein Rennen gestartet, um das schnellste Solarauto als Gewinner zu küren und Give-aways der FH Bielefeld zu verteilen. Schlüter: „Der Workshop war ein voller Erfolg und hat neben den praktischen Fähigkeiten auch viel Spaß gebracht.“

An ihren freien Tagen hat Melanie Schlüter die Zeit genutzt, Shanghai zu erkunden. „Die Millionenmetropole ist mit nichts anderem zu vergleichen. Die Ausgeglichenheit zwischen den chinesischen Wohnvierteln, den Hochhäusern und den zahlreichen Parks ist einmalig“, so Schlüter. „An sonnigen Samstagen und Sonntagen genießen die Chinesen ihre freie Zeit in Parks, spielen Musikinstrumente, tanzen, machen Yoga oder bespaßen ihre Kinder. Sich danebenzusetzen und das Treiben zu beobachten, war eine schöne Pause neben den vielen Sehenswürdigkeiten.“

Doch auch die Studentin selbst war für viele Chinesen eine Sehenswürdigkeit: Oft wurde sie beobachtet oder nach einem Foto gefragt, denn die blonde Europäerin mit einer Größe von über 1,90 Meter ist auch in Shanghai nicht alltäglich. „Am Anfang musste ich mich daran gewöhnen, so unter Beobachtung zu stehen, doch die Freude der Chinesen zu sehen, wenn sie ein Foto mit mir machen durften, war super.“

Schlüters Fazit: „Die Zeit in Shanghai war für mich eine einmalige Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte. Ich kann nur jedem empfehlen, im Studium einen Auslandaufenthalt zu wagen."