10.08.2021

FH-Studierende erlernen den Einsatz von Brennstoffzellen im Labor von Grund auf

Praxisnahe Lehre und Forschung über Konfiguration und Wirkungsweise der Strom- und Wärmegewinnung von morgen geschieht an der FH Bielefeld im Labor für elektrische Energiespeicher und Brennstoffzellen. Hier bilden Prof. Dr. Jens Haubrock und sein Team den Nachwuchs für die nachhaltige Wasserstofftechnologie aus.

Bielefeld (fhb). Wie lässt sich elektrische Energie genau dann möglichst emissionsfrei bereitstellen, wenn sie tatsächlich benötigt wird? Das ist eine der technologischen Herausforderungen, deren Bewältigung über den Erfolg der aktuellen Klimaschutzpolitik sowie über nachhaltige Fortschritte bei der Energie- und Verkehrswende mitentscheiden wird. Die Antwort könnte im Aufbau der sogenannten Wasserstoffwirtschaft zu finden sein. Dabei füttert regenerativ hergestellter Wasserstoff Brennstoffzellen, welche die im Wasserstoff gespeicherte Energie emissionsfrei in elektrische Energie und Wärme umwandeln.

Labor Elektrische Energiespeicher und Brennstoffzellen

Theorie und Praxis: Wissen im Labor ausprobieren

Am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der Fachhochschule (FH) Bielefeld haben Studierende die Möglichkeit, ihr frisch erworbenes Basiswissen in diesem zukunftsträchtigen Themenfeld gleich auch in der Praxis anzuwenden. Das geschieht im Labor für elektrische Energiespeicher und Brennstoffzellen, untergebracht im FH-Hauptgebäude auf dem Campus Bielefeld. Hier werden die Grundlagen einer Wasserstoffwirtschaft der Zukunft für den Ingenieursnachwuchs erlebbar gemacht.

Betreut und eingesetzt wird das Labor von Prof. Dr. Jens Haubrock, Dr. Emma Davies und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Kersten Kröger. Haubrock lehrt an der FH die Fachgebiete Regenerative Energiesysteme und Elektrotechnik. „Wissen rund um eine nachhaltige Energietechnik jungen Menschen zu vermitteln und an der Entwicklung des wissenschaftlichen Nachwuchses teilzuhaben – das begeistert mich genauso wie die Relevanz des Themas selbst! Der Funke der Begeisterung springt am besten auf die Studierenden über, wenn das Erlernte dann auch gleich in der Praxis hier im Labor Anwendung findet“, so die Erfahrung von Prof. Haubrock.

Sicher und effizient – „kalte Verbrennung“

Sonst allerdings sollte erst einmal kein Funke überspringen! Ein gelber „Vorsicht, Explosionsgefahr“-Aufkleber blitzt den Besucherinnen und Besuchern entgegen, wenn sie das Labor betreten. Wasserstoff ist – das weiß man nicht erst seit der Luftschiffkatastrophe von Lakehurst 1937 – ein entzündliches Gas. „Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen!“, versichert Haubrock. „Die Kennzeichnung ist Standard. Die Versorgung des Labors mit Wasserstoff geschieht zentral über einen Speicher, der mit moderner Sicherheitstechnik ausgestattet ist. Zudem befindet sich an den einzelnen Arbeitsplätzen eine Versorgungseinheit, die so konzipiert ist, dass die Brennstoffzelle immer in einem sicheren Betriebsmodus läuft.“

Von außen sehen die Brennstoffzellen im FH-Labor recht unscheinbar aus: Eine kompakte viereckige Einheit, die über ein Rohrsystem mit Wasserstoff und Luft versorgt wird. Auf der einen Seite führen Schläuche den Wasserstoff hinein, auf der anderen treten elektrische Leitungen hinaus. Die liefern dann den von der Zelle produzierten Strom an einen Verbraucher. Im Inneren jedoch geht die Post ab: Wasserstoff und Sauerstoff reagieren miteinander, es entstehen Strom und Wärme. Das geschieht allerdings unterhalb der üblichen Verbrennungstemperaturen. Man spricht in diesem Zusammenhang von „kalter Verbrennung“.

Besser als fossile Energieträger und regenerative Technologien

Wenn man das Verfahren vergleicht mit der Stromproduktion durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Kohle, Gas oder Erdöl, besitzt es zwei Hauptvorteile: Zum einen entsteht als Abfallprodukt lediglich ungiftiger Wasserdampf, wenn Wasserstoff und Sauerstoff in der Brennstoffzelle reagieren. Zum anderem wird die chemisch im Wasserstoff gebundene Energie in der Brennstoffzelle direkt in Elektroenergie umgewandelt – Brennstoffzellenantriebe besitzen deswegen einen höheren Wirkungsgrad als Verbrennungsmotoren, die einen Umweg über die Erzeugung von extremer Wärme und Bewegung gehen müssen, um Strom zu generieren.

Ein Gerät mit Display und Knöpfen, die man drehen kann.

Aber auch gegenüber regenerativen Verfahren wie Solarenergie, Wind- oder Wasserkraft hat die Brennstoffzellentechnologie einen entscheidenden Pluspunkt: Wasserstoff lässt sich speichern und kann von der Brennstoffzelle genau dann in Strom umgewandelt werden, wenn tatsächlich welcher benötigt wird. „Enormes Potenzial steckt so in der Technologie, wenn es um den Aufbau eines intelligenten Stromnetzes geht, auch Smart Grid genannt“, berichtet Prof. Haubrock. Denn: Der Anteil der von Brennstoffzellen hergestellten Elektrizität kann je nach Bedarf herauf- oder heruntergefahren werden. Die bei Flaute oder Dunkelheit entstehenden starken Schwankungen im Netz ließen sich durch Brennstoffzellenkraftwerke nachfragegerecht ausgleichen.

Nachwuchs für ein zukunftsträchtiges Berufsfeld

Damit all dies reibungslos von statten geht, braucht es allerdings Ingenieure, welche die Technologie genau verstehen. Lehrende, Forschende und Studierende im Labor für elektrische Energiespeicher und Brennstoffzellen an der FH legen den Fokus deshalb auf die Frage, wie die Zellen möglichst effizient eingesetzt und gesteuert werden? Eine elektronische Last simuliert dabei an jedem Laborarbeitsplatz den Stromverbrauch, sodass sich die Leistungsfähigkeit und Dynamik der Brennstoffzelle bei unterschiedlicher Beanspruchung messen lässt. Die Nutzerinnen und Nutzer des Labors können zudem verschiedene Parameter verändern und die Brennstoffzellen so gleichsam einem Stresstest unterziehen: Wie reagiert eine Brennstoffzelle bei welchen Betriebszuständen? Welchen Einfluss haben Betriebstemperatur und Druck auf ihre Leistungsfähigkeit? Was beschleunigt ihren Alterungsprozess? Wie reagiert die Zelle bei einem sogenannten Stromsprung, wenn die Last abrupt hochgefahren wird?

Wissen aus dem Labor in die Unternehmen mitnehmen

Damit nicht genug: Gemeinsam mit den Studierenden untersucht Prof. Haubrock im Labor beispielsweise den Einsatz intelligenter Steueralgorithmen, mit denen die Arbeitsweise vom Hauptfokus auf Stromproduktion gleichsam umgeschaltet werden kann auf den Hauptfokus Wärmegewinnung. „In solchen Forschungsprojekten kooperieren wir mit der mittelständischen Industrie aus der Region Ostwestfalen Lippe“, so Haubrock. Die Studierenden können ihre im Labor gemachten Erfahrungen später zum Beispiel im Rahmen von Abschlussarbeiten direkt in den Unternehmen ausprobieren. „Bei uns werden praxisorientiert Ingenieurinnen und Ingenieure ausgebildet, die dann in der Industrie innovative Produkte entwickeln und die Technologie weiterführen“, resümiert der Hochschullehrer.

Ein gelber Block mit sechs schwarzen Knöpfen steh auf einem Tisch.

Rückenwind für die Wasserstoffwirtschaft aus der Politik

Die Aktualität solcher Untersuchungen und die Zukunftsträchtigkeit des dazugehörigen Studiums ganz generell zeigt sich in politischen Grundsatzentscheidungen. Zwar gibt es vielversprechende Versuche mit Kraftwerken und Fahrzeugen bereits seit Jahrzehnten. Die Idee der Brennstoffzelle ist sogar noch viel älter, sie stammt aus dem 19. Jahrhundert, konnte sich aber gegen Dampfturbinen und Verbrennungsmotoren nicht durchsetzen. Und eine flächendeckende Wasserstoffversorgung lässt immer noch auf sich warten. Jedoch: Das Thema nimmt mittlerweile Fahrt auf: Ende 2019 wurde von der Bundesregierung ein Fahrplan vorgelegt, der den Aufbau einer wasserstoffbasierten Energiewirtschaft zum Ziel hat. Und auch im Mobilitätssektor tut sich einiges: Daimler beispielsweise hat im vergangenen Jahr einen ersten schweren Brennstoffzellen-Lkw auf die Straße gebracht. Brennstoffzellen-Busse und -Pkw unterschiedlicher Hersteller werden seit Jahren intensiven Praxistests unterzogen.

Modellprojekte in Bielefeld und OWL

Längst ist das Thema auch in OWL angekommen: Im Rahmen des Projekts „HyLand – Wasserstoffregionen in Deutschland“ sollen die Stadt Bielefeld und zwei Nachbarkreise zur Modellregion für die Wasserstoffnutzung im Mobilitätssektor entwickelt werden. Bielefeld setzt künftig Wasserstoff-Busse für den öffentlichen Personennahverkehr ein. Das Institut für Technische Energiesysteme (ITES) an der Fachhochschule, deren stellvertretender Sprecher Haubrock ist, begleitet und berät die Stadt bei diesem Vorhaben als Forschungspartner. Darüber hinaus nimmt das ITES nicht nur das Thema Mobilität in den Blick, sondern analysiert auch, welche anderen Anwendungsgebiete es für Wasserstoff in Bielefeld geben könnte.

„Große Chancen bestehen für die Quartiersentwicklung“, erläutert Prof. Haubrock. „Denn bei der Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff in der Zelle entsteht nicht nur Strom, sondern auch Wärme, und diese Wärme liegt auf einem für die Raumheizung attraktiven Temperaturniveau.“ Kompakte Brennstoffzellen-Blockheizkraftwerke könnten in Bielefeld bei Neubauprojekten miterrichtet werden, um das Potenzial von Wasserstoff für eine nachhaltige Energiewirtschaft weiter auszuschöpfen. Haubrock: „Es ist meine Vision, dass wir hier zusammen mit der Stadt Bielefeld ein Wasserstoff-Modell-Quartier entwickeln!“