03.02.2022

Forschung hautnah: FH-Beschäftigte testen intelligente Ladesäule für E-Autos

Im Projekt „Power2Load“ entwickeln Forschende der FH Bielefeld ein kostengünstiges, nachhaltiges und app-basiertes E-Lademanagementsystem für Unternehmen. Nun haben FH-Beschäftigte die Ladeanlage getestet und dem Projektteam so wichtige Erkenntnisse zu Bedienung und Ladekapazitäten geliefert.

Bielefeld (fhb). Das Interesse an Elektromobilität hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Das Problem: Der Ausbau der Ladeinfrastruktur hinkt der wachsenden Zahl an Elektrofahrzeugen hinterher. Das Forschungsprojekt „Power2Load“ der Fachhochschule (FH) Bielefeld will Abhilfe schaffen: In Kooperation mit dem Ladesäulenhersteller Westaflexwerk und dem Gebäude- und Energiemanagementspezialisten Archimedes entwickelt das Forschungsteam eine intelligente Ladesäule, mit der Unternehmen ihren elektrischen Fuhrpark effektiv und nachhaltig laden können.

Forschung hautnah: Beschäftigte testen Ladesäule unter Realbedingungen

Jens Haubrock steht neben der Power2Load Ladesäule und lächelt in die Kamera

Dezember 2021: Die Arbeitsgruppe Netze und Energiesysteme (AGNES) am Institut für Technische Energie-Systeme (ITES) unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Jens Haubrock hat die Mehrfachladeanlage auf dem Vorplatz der FH Bielefeld aufgebaut. Beschäftigte können ihre Elektrofahrzeuge nun in einem einwöchigen Feldversuch laden und die Anlage dabei auf Herz und Nieren prüfen. Insgesamt zehn verschiedenen Elektrofahrzeuge, darunter unter anderem ein Opel Corsa e, ein Tesla Model S aber auch ein Elektro-Mercedes, nehmen am Feldtest teil. Ob Probleme bei der Bedienung oder eine zu geringe Ladeleistung – das Projektteam möchte durch den Test wichtige Erkenntnisse im „realen“ Einsatz seiner Ladesäule gewinnen.

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Ladeanlage ist kostengünstige Lösung für Unternehmen

Zum Hintergrund: Derzeitiger Standard bei der Ladung von Elektroautos mit dem Typ2-Ladestecker sind Anschlussleistungen der Ladeanlage (sogenannte „Wallboxen“) von 22 kW. Diese hohe Leistung je Ladepunkt und die hohe Gleichzeitigkeit beim Laden von Elektrofahrzeugen stellt eine erhebliche Belastung für die elektrischen Zuleitungen dar. Beim Laden am Arbeitsplatz kommt es aus diesem Grund schon bei einer recht geringen Zahl von Elektrofahrzeugen zu einer Überschreitung der elektrischen Grenzen der Zuleitungen und der vertraglich vereinbarten maximalen Bezugsleistung.


Ein Ausbau und eine vertragliche Anpassung sind häufig mit hohen Kosten für das jeweilige Unternehmen verbunden und sollten vermieden werden. Power2Load entwickelt genau dafür eine Lösung. Denn durch die intelligente Ladeanlage können nicht nur die Investitionskosten für die Ladeinfrastruktur minimiert, sondern gleichzeitig auch die Anzahl möglicher Ladeplätze für Unternehmen erhöht werden.

Und so funktioniert’s: Die intelligente Ladeanlage erstellt benutzerorientierte und individuelle Ladepläne unter Beachtung der maximalen Bezugsleistung und der optimierten Nutzung von Solarstrom. Die zur Verfügung stehende Leistung wird dann auf die angeschlossenen Fahrzeuge verteilt. Beim Feldtest wurden die Ladeleistungen so beispielsweise von 1,4 kW bis 7,2 kW je Fahrzeug variiert.

Feedback zu Ladeleistung und App-Bedienung

Bereits im ersten realen Einsatz bewährte sich die Anlage sehr gut. Allerdings wurden auch Verbesserungsbedarfe aufgezeigt: Ein Fahrzeug wurde beispielsweise am dritten Versuchstag deutlich weniger geladen als an den ersten beiden Tagen. „Das hat uns stutzig gemacht“, berichtet Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Jens Haubrock. „Wir haben dann die Ursache herausgefunden: Wenn mehrere Fahrzeuge an der Mehrfachladeanlage angeschlossen sind, dann werden Fahrzeuge mit einer extrem großen Batteriekapazität beim Laden deutlich bevorzugt. Das ist natürlich nicht hinnehmbar, und wir werden den Fehler im nächsten Softwareupdate korrigieren, sodass die Priorisierung danach besser läuft.“

Weitere wichtige Erkenntnisse, die das Forschungsteam aus dem Feldversuch mitnahm, betrafen die Mensch-Maschine-Interaktion: So nahmen manche Teilnehmende die Bedienung der Weboberfläche, die zur Verwendung der Ladeanlage notwendig ist, als „nicht ganz intuitiv“ wahr. „Nach einer Einführung durch einen Mitarbeiter der Arbeitsgruppe klappte die Bedienung der Weboberfläche zwar ohne weitere Schwierigkeiten, aber wenn das intelligente Ladesystem irgendwann Marktreife erlangt, wird die Bedienoberfläche noch selbsterklärender sein“, so Haubrock.

Fazit: Feldtest zeigte Stärken und Schwächen auf

Nach einwöchiger Erprobung weiß das Team der Arbeitsgruppe nun um die derzeitigen Stärken und Schwächen. So wird die Intelligenz der Ladesäule bei der Zuweisung der Ladeleistungen dahingehend angepasst, dass eine bestimmte Reichweite in Kilometern am Ende der Ladung gewährleistet ist. Diese kann vorher von den Nutzerinnen und Nutzern eingegeben werden, um die Mobilität, beispielsweise für die Heimreise, zu gewährleisten. Auch bei der App-Oberfläche werden die aufgeführten Kritikpunkte eingearbeitet, um eine einfachere und benutzerorientierte Bedienung zu ermöglichen, die Rückmeldungen, beispielsweise zu Falscheingaben, ausgibt.

„Das war ein wirklich gelungener Feldtest!“, resümiert Prof. Dr.-Ing. Jens Haubrock. „Wir wissen jetzt, dass unser System die Ladevorgänge so steuert wie wir es programmiert haben. Die aufgetretenen Probleme und das Feedback der Teilnehmenden, haben uns darüber hinaus weiteres Verbesserungspotenzial aufgezeigt. Im nächsten Feldtest, voraussichtlich von Frühjahr bis Sommer 2022 in Verl wird eine optimierte Version getestet, bei der wir dann auch die Grünstromoptimierung testen können.“

Grün und smart: das Forschungsprojekt „Power2Load“

EIn Blick unter die Motorhaube eines Elektrofahrzeug mit vielen organgefarbenen Kabeln.

Denn: Power2Load ist ein intelligentes und app-basiertes Lademanagementsystem für Unternehmen, das eine Kontrolle der maximalen Bezugsleistung ermöglicht UND den Anteil an Grünstrom im Ladestrom maximiert. Die entwickelte Ladeanlage ermöglicht die gleichzeitige Ladung von bis zu sechs Fahrzeugen an einem Anschlusspunkt. Die zur Verfügung stehende elektrische Leistung wird dabei auf die angeschlossenen Fahrzeuge priorisiert aufgeteilt. Sofern verfügbar wird vorrangig Solarstrom zum Laden verwendet. (she)

Weitere Informationen und Links

Das Projekt „Power2Load“ wird mit einem Gesamtvolumen von knapp 1,3 Millionen Euro gefördert. Ein Teil der Fördermittel wird aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) bereitgestellt. Die Projektförderung erfolgt aus dem Klimaschutzwettbewerb „EnergieeffizienzUnternehmen.NRW“.

Links
Zur Pressemitteilung vom 4.10.2021
Projektseite
Arbeitsgruppe Netze und Energiesysteme (AGNES)
Institut für Technische Energie-Systeme (ITES)