16.10.2019

Mit Augmented-Reality durch den öffentlichen Raum

Interdisziplinäres Forschungsprojekt der FH Bielefeld entwickelt App für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung / Förderung von einer Millionen Euro vom Bund

Bielefeld/Minden (fhb). Wieder einmal eine neue Baustelle, die den Gehweg versperrt, eine defekte Ampel oder auch eine Person, die um Kleingeld bittet: Der Weg zur Arbeit ist nie jeden Tag gleich. Uns begegnen viele bekannte Gesichter, doch auch unvorhergesehene Dinge passieren. Für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung können gerade diese ungeplanten Ereignisse zu einer Herausforderung werden. In einem interdisziplinären Projekt der Fachhochschule (FH) Bielefeld arbeiten nun Forschende daran, für diese Nutzer*innengruppe, eine App zu entwickeln, die sie dabei unterstützt, sich selbstständig und sicher im öffentlichen Raum zu bewegen.

Für das Projekt „PAGAnInI“ (Personalized Augmented Guidance for the Autonomy of People with Intellectual Impairments) arbeiten sowohl Forschende des Fachbereichs Sozialwesen als auch Informatiker des Fachbereichs Campus Minden der FH Bielefeld zusammen. Neben der technischen Entwicklung steht die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer stark im Fokus.

„Uns ist es besonders wichtig, das Projekt partizipativ durchzuführen und mit den Nutzerinnen und Nutzern sowie den Fachkräften gemeinsam zu reflektieren. Sie alle sollen sich in ihren Belangen ernst genommen fühlen“, sagt Prof. Dr. Gudrun Dobslaw, Leiterin des Forschungsprojektes und Professorin für Psychosoziale Intervention und Beratung am Fachbereich Sozialwesen. „Unser Ziel ist es, neue digitale Technologien auch in der Sozialen Arbeit innovativ einzusetzen. Damit ergeben sich für Fachkräfte und Organisationen aber auch Herausforderungen, die wir im Projekt untersuchen und bewältigen wollen“, ergänzt Prof. Dr. Udo Seelmeyer, der am Fachbereich Sozialwesen Sozialarbeitswissenschaft lehrt.

Die FH Bielefeld kooperiert für das Projekt mit zwei Praxispartnerinnen: die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Siegen und die zu den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel gehörende Einrichtung proWerk. „PAGAnInI wird die Beschäftigten unserer Werkstätten mobiler machen, das bedeutet mehr Teilhabe, nicht nur am Arbeitsleben“, erläutert proWerk-Geschäftsführer Martin Henke.

Ziel der App wird es sein, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen in ihrem Lernprozess auf dem täglichen Arbeitsweg zu begleiten und zu unterstützen. Dabei soll es mehr sein als nur eine reine Navigations-App: Das System ist jeweils individuell an den Lernstand der einzelnen Nutzerinnen und Nutzer angepasst und lernt gleichzeitig mit. Die Betreuerinnen und Betreuer übernehmen eine Monitoring-Funktion. Über ein eigenes Interface haben sie die Möglichkeit, das Wegetraining der Nutzerinnen und Nutzer zu verwalten und Lernerfolge gemeinsam mit ihnen zu besprechen.

Gefördert wird das Forschungsvorhaben PAGAnInI mit mehr als einer Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderrichtlinie „Lebensqualität durch soziale Innovationen (FH-Sozial)“. Die Laufzeit beträgt vier Jahre. Denkbar ist, dass die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt auch für weitere Nutzer*innengruppen Anwendung findet, wie etwa für Menschen mit einer erworbenen Hirnschädigung oder Demenzerkrankung. (mst)