27.03.2020

Mit Künstlicher Intelligenz zu besseren Entscheidungen

Im Projekt „MAEWIN“ untersuchen Forschende des Fachbereichs Sozialwesen gemeinsam mit der Universität Bielefeld und Bethel die Chancen und Risiken maschineller Handlungsempfehlungen im Feld sozialer Dienste.

Bielefeld (fhb). Verfahren der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens werden immer häufiger in komplexen Entscheidungssituationen angewendet. Sie unterstützen menschliche Entscheidungen. Im Projekt „MAEWIN“ (Maschinelle Entscheidungsunterstützung in wohlfahrtsstaatlichen Institutionen) untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fachbereichs Sozialwesen der Fachhochschule  (FH) Bielefeld gemeinsam mit Forschenden des Instituts CITEC der Universität Bielefeld die Chancen und Risiken maschineller Handlungsempfehlungen im Feld sozialer Dienste. Dafür arbeiten sie mit den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel zusammen. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen fördert das Projekt als Teil des Graduiertenkollegs „Digitale Gesellschaft“.

Künstliche Intelligenz (KI) wird beispielsweise eingesetzt, um Kreditwürdigkeit zu prüfen. Auch im Feld sozialer Dienste kann KI neue Möglichkeiten eröffnen, zum Beispiel in Form von Systemen, die Empfehlungen bei der Planung von Hilfen – etwa für Menschen mit Behinderungen – geben. Oftmals sind maschinelle Entscheidungen aber nicht transparent und die Entscheidungskriterien nicht nachvollziehbar. In diesem Spannungsfeld werden in dem Forschungsprojekt Grundlagen für optimale maschinelle Entscheidungsunterstützung entwickelt.

Was bei der Einführung eines neuen Systems zu berücksichtigen ist und wo es innerhalb einer Einrichtung und im Entscheidungsprozess sinnvoll eingesetzt werden kann, analysieren Prof. Dr. Udo Seelmeyer und die Doktorandin Diana Schneider vom Fachbereich Sozialwesen der FH Bielefeld. Diana Schneider beschäftigt sich in ihrem Promotionsprojekt mit Methoden der Szenarienbildung und Technikfolgenabschätzung: „Unsere Fragen sind: Welche unbeabsichtigen Nebenfolgen kann so ein technisches System haben? Und wie muss es eingesetzt werden damit Qualität der Hilfen und Fachlichkeit der Mitarbeiter befördert werden?“, so die Doktorandin. Udo Seelmeyer sieht in dem Projekt auch einen Vorteil für die Arbeit der Fachkräfte: „Ein solches System eröffnet neue Zugänge zu der Masse an Dokumentationstexten, die ansonsten ungenutzte Datengräber bleiben.“

Damit Maschinen Entscheidungen treffen können, müssen sie zunächst mit Daten gefüttert werden. Die Daten für das Projekt kommen von stationären Einrichtungen des betreuten Wohnens in der Behindertenhilfe der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel und stammen aus den Falldokumentationen von Personen, die in den Einrichtungen Unterstützung erhalten haben. Mit Algorithmen können aus diesen Daten Muster identifiziert werden. Diese geben Aufschluss über den Verlauf von Hilfen und über Besonderheiten, die sich dabei zeigen. Das ist die Grundlage für Entscheidungsfindungen, die von einem intelligenten System unterstützt werden. „Das neue System kann künftig dazu beitragen, dass Beschäftigte in sozialen Einrichtungen ihre Klientinnen und Klienten zielgenauer unterstützen“, sagt Prof. Dr. Ingmar Steinhart vom Vorstand der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel.

Algorithmen können Entscheidungen vorschlagen, die Expertise und das Erfahrungswissen der Fachkräfte sollen sie aber nicht ersetzen. „Unser Prototyp soll die demokratischen Grundprinzipien, aber auch Inklusion, Teilhabe und Gleichberechtigung nicht untergraben, sondern sichern“, sagt Prof. Dr. Philipp Cimiano von der Technischen Fakultät und dem CITEC der Universität Bielefeld. Die Doktorandin Angelika Maier arbeitet dort an den technischen Grundlagen eines solchen Systems. "Wir betrachten, welche Themen über die Zeit für die Klientinnen und Klienten aktuell sind, oder wie die Eigenständigkeit eingeschätzt wird", sagt Angelika Maier, "Mit diesen Informationen kann dann zielgenauer auf die Bedürfnisse und Ressourcen einer Klientin oder eines Klienten eingegangen werden."

Prof. Seelmeyer betont, dass in Sozialen Diensten große Potentiale für solche digitalen Anwendungen bestehen, die längst noch nicht ausgeschöpft seien. Um hier weiter zu kommen, müssten auch Vorbehalte abgebaut werden. Dies gelinge dann, wenn kreativ sinnvolle neue Einsatzmöglichkeiten entwickelt würden. „Dabei muss aber immer im Blick bleiben, dass solche Systeme immer am Menschen ausgerichtet sein müssten“, so Seelmeyer, „und zwar sowohl an Bedarfen von Klientinnen und Klienten, als auch von Mitarbeitenden.“

Das Projekt läuft bis Mitte 2021 und wird im Rahmen des Forschungsverbunds „Digitale Gesellschaft“ durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Der Verbund beschäftigt sich mit der Frage, wie Digitalisierung die Gesellschaft verändert und wie sich Technologie auf die Meinungsbildung auswirkt.