09.01.2018

Theaterstück regt Diskussion über Soziale Arbeit an

„Kaspar Häuser Meer“ spiegelt den Arbeitsalltag im Jugendamt.

Bielefeld (fhb). Abseits der klassischen Lehrveranstaltungen konnten sich jetzt Studierende des Fachbereichs Sozialwesen an der Fachhochschule (FH) Bielefeld mit Praxisvertretern in einem ganz anderen Rahmen austauschen: Gemeinsam verfolgten sie im dortigen Theater das Stück „Kaspar Häuser Meer“, das den Arbeitsalltag im Jugendamt widerspiegelt – in einer für das Theater typischen überzeichneten Weise. In den Hauptrollen: Die Sozialarbeiter Sylvia, Kurt und Annika, die sich täglich zerreißen zwischen Aufopferungsbereitschaft und der Furcht vor Fehlentscheidungen, begleitet von Mobbing, Alkoholismus und Burnout. Christel Brüning hat das Stück inszeniert und dafür in Jugendämtern recherchiert. Viele Situationen und Zitate sind real: Die drei ohnehin schon überlasteten Kollegen müssen die Fälle eines erkrankten Kollegen mit übernehmen, Statistiken sind zu erstellen, die junge motivierte Annika, die von den alten Hasen nicht für voll genommen wird, vernachlässigt sogar ihr eigenes Kind. Und wenn Sylvia in ihren Albträumen besonders harte Fälle von Kindeswohlgefährdung verarbeitet, spürt man ihre Ohnmacht und die Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen.

Das Ensemble des Forum für Kreativität und Kommunikation e.V. wurde eingeladen von Professor Dr. Udo Seelmeyer, der am Fachbereich Sozialwesen das Lehrgebiet Sozialarbeitswissenschaft vertritt, und Peter Hockamp, ebenfalls Mitarbeiter am Fachbereich. Seelmeyer möchte damit den Studierenden das Berufsfeld näher bringen und den Austausch mit der Praxis ermöglichen: „Durch die Zuspitzungen in der Inszenierung erlaubt das Stück einen sehr intensiven und gleichzeitig authentischen Einblick in das Praxisfeld des Allgemeinen Sozialen Dienstes im Jugendamt, einem wichtigen Berufsfeld von Absolventinnen und Absolventen aus den Studiengängen des Fachbereichs Sozialwesen. Darüber hinaus greift das Stück Herausforderungen und Dilemmata auf, die sich so oder ähnlich auch in anderen Berufsfeldern finden, zum Beispiel den Umgang mit hoher zeitlicher Belastung oder hohen Fallzahlen, sowie den Umgang mit Problembelastungen von Klienten, mit denen man in der Fallbearbeitung konfrontiert ist.“ Durch die künstlerische Darstellung werden bei den Studierenden Erfahrungsebenen angesprochen, die durch einen inhaltlichen Vortrag nicht möglich seien. Seelmeyer ergänzte: „Die Diskussion mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Allgemeinen Sozialen Dienste im Anschluss an das Stück ermöglicht einen inhaltlichen Austausch mit Fachkräften aus der Praxis, für den es in dieser Form sonst kaum Gelegenheiten gibt.“

Die anschließende Diskussion zeigte, dass das Stück zwar polarisiert. So bedauerten einige Praktiker aus Jugendämtern, dass die positiven Seiten des Berufs und auch der gemeinsamen kollegialen Arbeit quasi gänzlich außen vor gelassen wurden. Aber die Studierenden bestätigten, dass sie sich von der übertriebenen Darstellung nicht abschrecken lassen werden, auch einen Job im Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes anzustreben.

Ermöglicht wurde die Aufführung durch die finanzielle Unterstützung der Fördergesellschaft FH Bielefeld e.V.