20.10.2022

Wurzeln der Elektromobilität: E-Fox der FH ins Historische Museum Bielefeld überführt

Der E-Fox in Fahrt auf der Straße zur FH Bielefeld
Einst seiner Zeit voraus, jetzt im Museum: Der E-Fox schaffte 100 km/h und besaß eine Reichweite von 50 km im Stadtverkehr. © P. Pollmeier/FH Bielefeld
Jens Haubrock und Dr. Wilhelm Stratmann
Prof. Dr. Jens Haubrock gemeinsam mit Dr. Wilhelm Stratmann, Direktor des Historischen Museums, vor dem neuen Exponat im Museum. © P. Pollmeier/FH Bielefeld
Die Personen laufen durch die Ausstellungshalle des Historischen Museums Bielefeld
(v.l.n.r.) Hildegard Schumacher-Grub, Prof. Dr. Jens Haubrock, Prof. Dr. Rolf Naumann, Leiter des Historischen Museums Dr. Wilhelm Stratmann und wissenschaftlicher Mitarbeiter Kersten Kröge im Historischen Museum Bielefeld. © P. Pollmeier/FH Bielefeld
Eine Person hält den ausgefalteten Fahrzeugschein des E-Fox in den Händen
Einst seiner Zeit voraus, jetzt im Museum: Der E-Fox schaffte 100 km/h und besaß eine Reichweite 50 km im Stadtverkehr. © P. Pollmeier/FH Bielefeld
Auf der Tür des E-Fox steht „CO²: 0 g/km“
Einst seiner Zeit voraus, jetzt im Museum: Der E-Fox schaffte 100 km/h und besaß eine Reichweite 50 km im Stadtverkehr. © P. Pollmeier/FH Bielefeld
Der E-Fox fährt über das Gelände der FH-Bielefeld
Einst seiner Zeit voraus, jetzt im Museum: Der E-Fox schaffte 100 km/h und besaß eine Reichweite 50 km im Stadtverkehr. © P. Pollmeier/FH Bielefeld
Dr. Wilhelm Stratmann im Gespräch mit Prof. Jens Haubrock
„Der E-Fox bildet durch seinem wegweisenden Zero-Emission-Ansatz einen Meilenstein in der Technikgeschichte Bielefelds", so Dr. Wilhelm Stratmann, Direktor des Historischen Museums Bielefeld. © P. Pollmeier/FH Bielefeld
Hildegard Schumacher-Grub sitzt am Steuer des E-Fox
Die Idee eines E-Mobils als Teil eines nachhaltigen Mobilitätskonzepts wurde auch interdisziplinär an der FH bearbeitet: Die Sozialpädagogin und Umweltwissenschaftlerin Hildegard Schumacher-Grub brachte hierbei ihre Expertise zu Fragen rund um Auswirkungen der Umweltproblematik auf biologisches und soziales Leben ein. © P. Pollmeier/FH Bielefeld
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Hildegard Schuhmacher-Grub, Dekan Prof. Dr. Rolf Naumann und Dr. Wilhelm Stratmann freuen sich über das "neue Zuhause" des E-Fox im Historischen Museum Bielefeld. © P. Pollmeier/FH Bielefeld
Eine Plakette an der Karosserie zeigt Informationen zum Fahrzeug
Einst seiner Zeit voraus, jetzt im Museum: Der E-Fox schaffte 100 km/h und besaß eine Reichweite 50 km im Stadtverkehr. © P. Pollmeier/FH Bielefeld

Er war seiner Zeit voraus und zeigte schon 1994, wie alltagstauglich und nachhaltig Elektro-Pkw konzipiert werden können: der E-Fox. Das Fahrzeug wurde einst von Studierenden der FH Bielefeld auf Basis eines VW Polo II entwickelt und dürfte das erste „normale“ Elektroauto mit Straßenzulassung in OWL gewesen sein. Nun wird der E-Fox fester Bestandteil der Dauerausstellung des Historischen Museums Bielefeld.

Bielefeld (fhb). „Eigentlich schade, dass wir das Auto künftig nicht mehr fahren können. Wir haben den Wagen wieder gut in Schuss gekriegt, und es macht wirklich Spaß, so leise dahinzugleiten.“ Kersten Kröger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Team von Prof. Dr. Jens Haubrock hat er in den vergangenen Monaten den ersten verkehrstauglichen Elektro-Pkw, der jemals in OWL hergestellt und mit einer Straßenzulassung versehen wurde, „auf Vordermann“ gebracht. Denn: Der E-Fox der FH wird ab sofort in der Dauerausstellung des Historischen Museums Bielefeld einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. „Da wollten wir das Fahrzeug natürlich in einem vernünftigen Zustand übergeben“, so Kröger, der Experte für Elektromobilität und Brennstoffzellen ist. „Und noch einmal ein paar schöne Bilder machen, die zeigen, wie gut der Wagen auch nach annähernd 30 Jahren noch funktioniert.“

E-Fox der FH – ein bedeutender Teil der Bielefelder Technikgeschichte

Der E-Fox in Fahrt vor dem FH Gebäude
Die Batterien des E-Fox waren schwer, und so bauten die Studierenden BMW-Stoßdämpfer ein, damit das Fahrwerk den Belastungen Stand hielt.

Doch der Reihe nach: Am 13. Januar 1994 meldet ein Team rund um Prof. Dr. Bernd-Josef Schumacher und Eckhard Trakies vom damaligen Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der FH Bielefeld ein „Zero Emission Vehicle“ bei der Zulassungsstelle der Stadt Bielefeld an. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen umgebauten Polo „Fox“ der zweiten Generation. Die Studierenden haben seinen Verbrennungsmotor durch eine Drehstrom-Asynchronmaschine mit Frequenzumrichter des österreichischen Antriebsherstellers Thien ersetzt und den Tank durch eine Reihe von Batterien. So ausgerüstet kann der E-Fox fast lautlos auf bis zu 100 km/h beschleunigen. Seine Reichweite beträgt 50 km im Stadtverkehr. Doch damit das Fahrzeug einsatz- und verkehrssicher betrieben werden kann, sind weitere Aggregate eingebaut und aufeinander abgestimmt worden. Und es waren noch Umbauten an der Karosserie und am Fahrgestell notwendig – alles eigenständig ausgeführt vom zehnköpfigen Studierendenteam der FH, das damit ein Stück der Automobilgeschichte in OWL schreibt.

Der E-Fox im Mueseum
Nun wird der E-Fox fester Bestandteil der Dauerausstellung des Historischen Museums Bielefeld.

„Der E-Fox bildet durch seinem wegweisenden Zero-Emission-Ansatz einen Meilenstein in der Technikgeschichte Bielefelds.“

Dr. Wilhelm Stratmann, Direktor des Historischen Museums Bielefeld

Entsprechend fällt der Kommentar von Dr. Wilhelm Stratmann, Direktor des Historischen Museums anlässlich der Vorstellung des neuen Museumsstücks gegenüber der Presse aus: „Viele Menschen wissen nicht, dass die Automobilindustrie in Bielefeld eine lange Tradition besitzt. Das manifestiert sich nicht nur in dem über hundert Jahre alten Dürkopp P8-Oldtimer, der seit 2003 als Dauerleihgabe im Historischen Museum ausgestellt ist – ein Produkt des einzigen Automobilherstellers der Stadt, der allerdings noch vor dem Zweiten Weltkrieg seine Produktion einstellen musste. Darüber hinaus haben auch die mittelständischen Zulieferer, die zum Teil bis heute von Bielefeld aus weltweit agieren, hohen Stellenwert für die Technikgeschichte der Region. Diese Unternehmen kooperieren – das zeigen zahlreiche Beispiele – eng mit der Fachhochschule Bielefeld, die ihrerseits seit über 50 Jahren einen wichtigen Beitrag für die Automobilindustrie leistet, in dem sie den technischen Nachwuchs ausbildet und angewandte Forschung betreibt. Der 1994 entstandene E-Fox mit seinem wegweisenden Zero-Emission-Ansatz liefert dafür einen eindrucksvollen Beweis.“

Leider nur ein Gedankenspiel: 200 E-Fox zum Stückpreis von 35.000 Mark

Blick unter die Motorhaube des E-Fox
Die größte Herausforderung im Projekt: Unter der Motorhaube mussten diverse Aggregate harmonisch zusammenarbeiten.

Feierlich enthüllt wurde der E-Fox am 20. Oktober 2022 unter anderem im Beisein von Prof. Dr. Rolf Naumann, Dekan des Fachbereichs Ingenieurwissenschaften und Mathematik der FH Bielefeld. „In dem Studierendenprojekt zeigt sich, dass wir schon in den 1990er-Jahren Lehre und Forschung eng miteinander verzahnt haben, um Erfahrungen mit alternativen Antrieben zu sammeln, die heute auf breiter Front zum Serienstandard gemacht werden“, so Naumann. „Der Kollege Prof. Dr. Bernd-Josef Schumacher hat mit seinem Team bewiesen, dass schon damals ein durchaus leistungsfähiges und alltagstaugliches Elektroauto auf die Straße gebracht werden konnte und man bei entsprechenden Investitionen sofort in die Produktion von Kleinserien hätte einsteigen können.“

Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit des Schumacher-Teams durchaus visionär zu nennen: 200 E-Fox könnte die FH zum Stückpreis von 35.000 Mark herstellen, errechnete Schumacher. In der Zeitschrift „Auto Bild“ kritisierte er die mangelnde Investitionsbereitschaft in Deutschland:  Von „Pfennigzählern in der Industrie“, die über zu hohe Kosten jammern, war da die Rede. Und vom Vorsprung in der Elektrotechnik hierzulande, der nicht verspielt werden dürfe. Defizite, die heute angesichts von Klimawandel und schleppend voranschreitender Verkehrswende offen zutage getreten sind.

Exponate im Museum
Der E-Fox gesellt sich zu einem über hundert Jahre alten Dürkopp P8-Oldtimer, der seit 2003 als Dauerleihgabe im Historischen Museum ausgestellt ist – ein Produkt des einzigen Automobilherstellers der Stadt.

E-Fox war bereits 1994 Kernstück eines rundum emissionsfreien Systems

Seine Energie bezog der E-Fox aus 15 Blei-Säure-Batterien, die zusammen 300 Kilogramm auf die Waage brachten und im Heck sowie unter der Motorhaube Platz fanden. Die Batterien waren nicht nur schwer, sondern benötigten auch ihren Platz, sodass die zweite Sitzreihe weichen musste und der E-Fox zum zweisitzigen Stadtflitzer mutierte. Bei den Speichermodulen handelte es sich um sogenannte Traktionsbatterien, die sich zum Beispiel in Antriebssträngen von Gabelstaplern bereits bewährt hatten. Aufgeladen wurden die Module mithilfe von Strom, den eine eigens installierte Photovoltaikanlage produzierte. So wurde der E-Fox Kernstück eines rundum emissionsfreien Systems – auch das für die damalige Zeit visionär! Beim Bremsen – das ist heute Standard bei Hybrid- und Elektrofahrzeugen – war der E-Fox zudem in der Lage, mittels Rekuperation einen Teil der investierten Antriebsenergie wieder zurückzugewinnen.

Der Straßenzulassung 1994 waren mehrjährige studentische Einzelprojekte mit Voruntersuchungen, Konzept- und Detailplanungen unter der Ägide Prof. Schumachers vorausgegangen. Die Endmontage des Fahrzeugs erfolgte dann durch Studierende in der Ausbildungswerkstatt der Elektrizitätswerke Minden-Ravensberg in Kirchlengern. „Die größte Herausforderung im Initialprojekt E-Fox lag neben der Dimensionierung der benötigten Baugruppen darin, ausgereifte Einzelkomponenten, die ursprünglich für Industrieanwendungen entwickelt wurden, in dem Fahrzeug zu einem funktionierenden Gesamtsystem zusammenzufügen“, erinnert sich Eckhard Trakies. „Das wurde damals mit Bravour gemeistert!“

Blick in den Kofferraum und die Batterien des E-Fox
Zweisitziger Stadtflitzer: Die Batterien des E-Fox wogen zusammen 300 kg und nahmen noch relativ viel Platz weg – die zweite Sitzreihe musste weichen.

Doch mit der Zulassung hatte der E-Fox seine Aufgabe für die Hochschule noch längst nicht erfüllt: In den Folgejahren arbeiteten immer wieder Studierendenteams mit dem Fahrzeug und verfeinerten beispielsweise ihre Fertigkeiten in der Messtechnik oder analysierten, welche Auswirkungen die Belastungen des Fahrbetriebs auf die Batterien hatten. Zuletzt, im Zuge der Instandhaltung durch das Team rund um Kersten Kröger wurden die Traktionsbatterien im Labor noch einmal „reaktiviert“ für die letzte Fahrt zum Museum. Kröger, Melina Gurcke, Zak Bushell und Thomas Engelmann sind ein bisschen wehmütig angesichts des Umzug vom „schlauen Fuchs“ (Auto Bild) ins Museum. Kröger: „Aber wir sind natürlich auch stolz!“ (lk)

Weiterführende Links

Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik
Historisches Museum

Anmerkung vom 24. Oktober 2022:

Die Berichterstattung über die „Letzte Fahrt“ des E-Fox hat sehr viel positive Reaktionen hervorgerufen. Unter anderem erreichte uns eine erfreute Mail von Ramazan Karabacak, heute Projektleiter und Systembetreuer Autotransportwagen bei der DB Cargo in Minden, damals Teil der Gruppe von Studierenden, die das Fahrzeug im Rahmen ihrer Diplomarbeit „,E-Fox‘ Entwicklung und Erprobung eines verkehrstauglichen Elektro-Autos“ an der FH Bielefeld entwickelt und produziert haben. Zu der Gruppe gehörten unter anderen außerdem Faruk Bozkurt, Hans-Ulrich Keese und Stefan Steinmann.

 Für weiteres Bildmaterial können Sie sich gerne an presse@fh-bielefeld.de wenden.